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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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noch schwärzer als der Schatten, aber ganz unbeweglich, sodass sie es nicht weiter beachteten. Die beiden Alvinczy öffneten lautlos das Tor; Bálint und Baron Gazsi schlichen sich in den Stall. Drinnen war es stockdunkel. Tastend fanden sie trotzdem eine Kuh. Kadacsay löste sie geschickt von der Krippe. Abády ergriff sie am Horn, drehte sie um und führte sie hinaus. Gedämpftes, aber triumphierendes Gelächter ertönte vom Weg her, als die Kuh draußen anlangte. Und man lenkte und trieb sie vorwärts, führte sie auf einen ansteigenden Pfad.
    Es war ein wunderbarer Zug: die seidengekleideten Damen, an den Füßen Stiefeletten mit hohen Absätzen, die Herren mit Lackschuhen und in Smoking und in ihrer Mitte die magere Kuh. Es war allerdings ein minderwertiges und ziemlich schmutziges Tier, hinten dreckstarrend vor klebend angetrocknetem Mist. Sie trieben es eilig an, damit es ja nicht hier in der Nähe brüllen und den Wächter wecken sollte. Das gelang auch, denn sie waren schon am Hügelhang angelangt, als sich die Kuh von ihrer Verwunderung erholte und ihr erstes Brüllen ertönen ließ. Doch das verschlug nun nichts, das konnte man dort unten nicht mehr hören.
    Nun lachten sie schon siegestrunken und schmiedeten freudig weitere Pläne, was mit der Kuh noch geschehen, wo man sie verstecken und wem man was sagen sollte, als eine unerwartete Wendung eintrat. Die Kuh begann zu laufen! Nicht heimwärts, keineswegs, sondern weg vom Pfad – in die Weite. Sie hatte in der Nähe ein Feld mit Luzerne gewittert. Wie ein ungestümes Wild stürzte sie in die Richtung. Sie bot einen höchst merkwürdigen Anblick, wie sie da mit gekrümmtem Schwanz, schnell und scheinbar ungeschickt lief, während das Euter zwischen ihren Hinterbeinen hin und her schwappte. Anfänglich lachten alle, doch dies dauerte nur einen Augenblick. Dann schoss jäh jedem durch den Kopf, welche Katastrophe das zeitigen könnte. Frisst sich eine Kuh mit taubenetzter Luzerne voll, dann bekommt sie Blähungen und verendet. Nun, das darf nicht sein, das wäre kein Spaß mehr! Los also, setzt ihr nach, bevor sie sich den Bauch vollschlägt!
    Vorerst liefen nur die Männer und Zoltánka. Mit den gestreckten Schritten eines Tennisspielers holte Ádám Alvinczy, gefolgt von seinem Bruder Ákos, als Erster das Tier ein. Die Kuh wartete indessen die beiden nicht ab, sondern beschrieb eine Abwärtskurve, und schon war sie zwanzig Meter weiter. Hier traten ihr Zoltánka und hernach Gazsi und Abády entgegen. Die gejagte Kuh schlug aber stets neue Haken, bevor jemand ihren Strang hätte ergreifen können, und sie raste den Hügel hinunter gegen den von Schilf gesäumten See; und dabei fraß und fraß sie, sobald sie auch nur für einen Augenblick innehielt. Nun setzte ein wahnwitziger Wettlauf ein, denn die Kuh näherte sich immer mehr dem Röhricht. Dringt sie erst einmal in das Schilfdickicht ein, dann gibt es kein Mittel mehr, sie dort herauszuholen. Und auch vor dem tödlichen Futter ließe sie sich nicht bewahren. Man musste ihr also zuvorkommen, sie in die Richtung der Bergseite zurücktreiben. Nach langer Lauferei gelang es endlich, sie zur Umkehr zu zwingen.
    Die Kuh war durch die Hetzjagd ganz wild geworden. Sie legte den Schwanz mitten auf den Rücken, dazu brüllte sie schrecklich, und sie rannte unentwegt, verfolgt vom Halbkreis der im Smoking steckenden jungen Herren. In dieser Minute mussten sich nun auch die Damen einschalten. Es war zu befürchten, dass die Kuh endgültig ausreißen würde. Um sie also oben am Hang zum Stehen zu bringen, war der Kreis zu schließen.
    Adrienne, Margitka und Iduka Laczók liefen ins Luzernenfeld, um dort eine Schwarmlinie zu bilden. Sie tanzten und hüpften hin und her, wenn das Tier auf eine von ihnen zuhielt, und wie die Flügel von Fledermäusen, so schwenkten sie vor ihm ihre ausgebreiteten, für den festlichen Abend bestimmten Pelzmäntel. Das setzte die Kuh tatsächlich in Erstaunen. So etwas Fürchterliches hatte sie noch nie erblickt. Sie stutzte. Baron Gazsi schlich sich vor. Er ergriff den hinunterhängenden Strang. Doch das gehetzte Tier machte, kaum dass es sich eingefangen fühlte, einen riesigen Sprung, und es schleppte Gazsi, der gefallen war, rasch den Hang hinunter; er rutschte bäuchlings in der nassen Futtersaat, ließ aber das Seil nicht los. Diese Heldentat brachte Glück, sie entschied die Schlacht. Denn die Kuh blieb bald völlig außer Atem stehen.
    Man umgab, betastete und streichelte sie.

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