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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Sie durfte auch von der feinen Luzerne einige Bissen nehmen, so viel würde ihr nicht schaden, sie sogar etwas zähmen.
    Und nun blickten sie einander an. Jedermann brach in Gelächter aus. Alle standen bis zu den Knien besudelt da; die Abendkleider und die Seidestrümpfe der Damen waren klatschnass, die Lackschuhe kotbeschmutzt. Die Männer präsentierten sich mit gebrochenem Kragen, zerzaust, verschwitzt. Die seltsamste Figur machte aber Baron Gazsi, dessen weiße Jacke und Hemdbrust sich grün verfärbt hatten. Grasgrün! Im glänzenden Mondschein wirkten selbst jene Stellen grün, die weiß geblieben waren.
    »Solches Pech habe ich, mein Fcheund, zuechst die Kalamität mit dem Fuchs und jetzt mit dech Kuh!«, sagte er in seinem komisch klagenden Tonfall. »Wie ein Laubfchosch, so sehe ich aus!« Und mitten in der Nacht begann er traurig zu quaken, was zu seiner Krähennase gar nicht passen wollte. Denn wer hatte schon je einen Frosch mit Rüssel gesehen? Die anderen lachten auch hierüber nicht wenig, und dann umringten sie die brav gewordene Kuh, führten sie hinauf zum Gartentor und weiter über die dunklen Wege zum Stall der Kaleschenpferde. Sie wurde in einer der leeren Boxen untergebracht, und Zoltánka, der sich hier gut auskannte, warf ihr zum Fressen auch ein Bündel Heu hin. Dann zogen sie sich auf Zehenspitzen hinaus und mussten sich im Licht einer Talgkerze an dem im Stroh schlafenden Kutscher vorbeischleichen. Hinein wie hinaus gingen sie so lautlos und vorsichtig, dass dessen gemütliches Schnarchen keinen Augenblick aussetzte.

    Nun standen sie erneut im Mondlicht.
    »Wie spät ist es wohl?«, fragte Adrienne den jüngeren Alvinczy, doch als dieser »halb zwölf« sagte, streifte ihr Blick Abádys Gesicht. »Zeit, schlafen zu gehen, ich bin vom vielen Herumlaufen so müde geworden!«
    Sie verabschiedeten sich auf der langen Veranda, die sich die ganze Hausfassade entlang hinzog. Während einiger Minuten gab ihnen das Abenteuer mit der Kuh noch Anlass zum Lachen, und dann machten sich alle in ihre Zimmer auf.
    Hinter den von Wildtrauben bewachsenen Säulen herrschte eine solche Dunkelheit, dass vielleicht nur die kleine Margit wahrnahm, wie Addy, als sie bei der letzten Tür vor ihrem Zimmer anlangte, für einen Augenblick stehen blieb und zurückschaute, bevor sie verschwand. Es hielten sich nur noch einige wenige auf der Veranda auf, Ádám, der dieser Szene gerade den Rücken kehrte, und seitwärts Abády. Auch diese beiden schritten nun in die Richtung der für die Männer bestimmten Gastzimmer.
    Stille senkte sich auf den alten Herrensitz, eine unendlich süße, geheimnisvolle und tiefe Stille. Aus dem abgelegenen Hof der Meierei tönte von der Zigeunermusik nur die Bassgeige herüber. So aus der Ferne klang sie dumpf, als schlüge ein Herz in glücklicher Erwartung.

    Bereits am nächsten Morgen, als sie sich um etwa zehn Uhr nach und nach einzeln zum Frühstück einstellten, trafen die Nachrichten von den schrecklichen Folgen des Kuhdiebstahls ein.
    Das Esszimmer lief quer durch das Haus; an beiden Enden befand sich eine Tür. Und wie da die einen und die anderen einmal von dieser und ein andermal von der anderen Seite eintraten, unter ihnen auch die Leute vom Gesinde, der Diener, das Stubenmädchen und die Beschließerin, so brachten sie alle irgendeine Neuigkeit, eine Nachricht oder eine neue Einzelheit mit. Kurz nach Mittag lag die ganze Geschichte schon fertig vor.
    Die Frau des Nachtwächters hatte am frühen Morgen die Kuh melken wollen. Sie weckte ihren Mann mit der Schreckensnachricht, dass die Kuh nirgends zu finden sei. Der Wächter lief unter grässlichen Flüchen in den Stall. Und dann standen die beiden, vom Schicksalsschlag gelähmt, vor der Stalltür. »Man hat sie gestohlen! Gestohlen! Aber wer? Wo?«
    Ihr Nachbar war Tschatscha, der Zigeuner, der mit Reusen Schlammpeitzger zu fangen pflegte, er wohnte auf der anderen Straßenseite. Als Erstes ging der Dorfwächter auf ihn los. Er schleuderte ihm die Verdächtigung, vermengt mit furchtbaren Verwünschungen, wegen Diebstahls entgegen. Doch Tschatscha zuckte nur immer wieder gleichgültig mit den Achseln, und dazu lachte er. Nun fiel der Frau ein, dass an diesem Tag in Sármás und zwei Tage später in Régen der Jahrmarkt stattfand. Vielleicht hatten die Marktleute die Kuh gestohlen, jene, die hier in der Nacht durchzogen, denn der kurze Weg führt hier über die Berge, man treibt da oft Vieh vorbei. »Setzen wir ihnen nach!

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