Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
sich gelassen hatte und in einen breiten Wald eingedrungen war, der quer vor der gesamten Front lag, hieß es: »Líška!«
Irgendwo rechts in Bálints Nähe hatte es begonnen. Das Geschrei flutete von dort die Linie der Schützen entlang, der Bariton der Männer trug es, und dann übernahmen es kreischend die Mädchen an den Flanken – in triumphierender Erwartung, überrascht und freudig: »Líška! Líška!« – Fuchs! Denn auf diesem Gelände, das unzählige Jäger bewachten, mit Fallen schützten und in Ordnung hielten, galt ein Fuchs als ein wahres Wunder. Das Geschrei hörte nicht einen Augenblick auf und ließ klar erkennen, wo sich der böse Rotrock befand, denn der Ruf »Líška!« erschallte abwechselnd da und dort, einmal näher, ein andermal weiter weg und dann wieder in der Mitte oder an der Flanke, je nachdem, wo sich der schlaue Kerl herumtrieb. Als sich das Dickicht schließlich zu lichten begann, vernahm man von weit außen zwei schnell aufeinanderfolgende Schüsse und ein mächtiges Triumphgeheul. Man hörte nur zwei lange »A«-Silben, die zwei Vokale des Wortes »spadla« – ist gefallen –, wie die Mädchen und Burschen einander die Neuigkeit vom glücklichen Tod des Feindes, dieses Hühnerdiebs, weitergaben. Und als die Front aufs freie Feld hinaustrat, hob an der anderen Ecke einer der Wildträger Slawatas den Fuchs in die Höhe. Es sollten doch alle Treiber ihre seltene Beute sehen.
Nun langten Treiber und Jäger am Rand eines leicht abschüssigen, feuchten Felds an. Eine Linie hoher Platanen verlief quer in der Mitte. Jenseits zeigte eine von Büschen bewachsene Hügelflanke die Grenze des Parks von Jablánka an. Kaum waren sie auf der Magerwiese fünfzig Schritte vorwärtsgekommen, etwa auf halbem Weg zur hohen Baumreihe, als die Hörner ertönten. Dies war das Zeichen für die Sperre: Die Schützen blieben stehen, und die beiden Flanken, die auf der Ebene zusammentrafen, trieben das Wild zurück. Der herrschaftliche Oberjäger galoppierte nun die etwa anderthalb Kilometer lange Linie der Jäger entlang. Bei jedem der Gäste hielt er sein Pferd an, zog den Hut und sagte höflich: »Belieben Euer Hochgeboren, hier auch Hennen zu schießen.« 39 Auch Fasane also.
Das klang nun, wie sich bald zeigen sollte, beinahe spöttisch.
Nicht weil es keine Fasane gegeben hätte, im Gegenteil, sie kamen pausenlos in Massen angeflogen, als folgten sie in der Luft einer starren Bahn; doch sie segelten in solcher Höhe, dass Schrot sie kaum mehr erreichen konnte. Die meisten flatterten vom Rand der Wiese auf, die sich oben auf dem Hügel erstreckte. Die Richtung, die sie nahmen, zielte pfeilgerade zurück auf den verlassenen Wald, ihr Weg führte genau über die Kronen der fast zwanzig Klafter hohen Platanen. Sie glitten alle turmhoch mit rasender Geschwindigkeit vorbei, ein jeder erschien wie ein Strich am Himmel, geradeaus vom Anfang bis zum Ende; nur selten kam es vor, dass der eine oder andere diesseits der Laubkronen wie auf einer Achterbahn schräg hinabsank oder eine krumme Linie beschrieb. Hunderte flogen mit ausgebreiteten Flügeln: bräunlich die Hennen, grün und rötlich die Hähne und dazwischen in der Schar auch merkwürdige Vögel – eine Kreuzung von Amherst- und Silberfasanen mit fransigem Schopf und anderthalb Meter langen Schwanzfedern. Szent-Györgyi züchtete nämlich zur Ausschmückung der Strecke auch solch exotische Arten. Golden und diamanten gekleidet, blitzten sie vorbei im glänzenden Sonnenschein.
Das Hasenvolk wirbelte bereits in großen Rudeln auf der Wiese, sie sprangen über den Wassergraben und über den Erdwall jenseits der Baumreihe, und zwischen den Stämmen sausten den Jägern aus dieser Richtung wie Kanonenkugeln Rebhühner entgegen; es pfiff richtiggehend in der Luft, so schnell war ihr Flug. Die Schützen hatte man in großem Abstand aufgestellt. Aus einem einzigen Grund waren alle die Gräben ausgehoben, Büsche und Bäume gepflanzt worden: Die Schüsse sollten möglichst schwierig und aufregend sein und die Treffer die größtmögliche Geschicklichkeit erfordern.
Was vor der Linie der Jäger tobte, war nun ein wahres Inferno. Die Büchsen krachten ohne Unterlass, die Leute sprangen hin und her, um die Waffe zu wechseln oder einem entlaufenden Wild nachzusetzen, Gewehrlader und Treiber schrien: »Kohút! Kohút! Zajac! Zajac!« Dann wieder wurden die Gewehre nach oben, gegen den Himmel gerichtet, um ein Haar stürzten dabei die Jäger selber, als Ergebnis
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