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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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wäre gut und angenehm gewesen. Welche Gelegenheit, sich einmal in Freiheit zu lieben! Und sich nicht so aus- und anzuziehen und die Uhr beobachten zu müssen wie in der kleinen Junggesellenwohnung, wo sie sich in Pest zu treffen pflegten … Sie war enttäuscht. Sie erwartete ihn am ersten Abend, doch er kam nicht. Am zweiten fragte sie ihn: »Warum nicht?« Worauf Szent-Györgyi zur Antwort gab, das sei gefährlich … man könnte ihn sehen … und dass die Dienerschaft … und der Zufall … Wer weiß?
    »No, it’s no good!« Worauf die schöne Fanny den Morgen des heutigen Tags dazu verwendet hatte, die Verhältnisse auszukundschaften. Sollte jemand sie ansprechen, dann würde sie tun, als suche sie ihre Zofe. Sie durchstreifte das ganze riesige Haus. Das Schloss von Jablánka bildete einen regelmäßigen Würfel. Auf allen vier Innenseiten verlief ein gewölbter Korridor. Von hier aus öffneten sich alle Zimmer – wie in einem Kloster. Denn das war es einst tatsächlich gewesen. Die Szent-Györgyis hatten es zu Beginn des 18. Jahrhunderts für die Paulaner gebaut, als sie selber noch oben in der – inzwischen zur Ruine gewordenen – Burg hausten. Kaiser Joseph hob 1786 den Orden auf und gab das Gebäude den Gründern zurück, die als »gutgesinnt« 37 galten. Die Vorfahren von Graf Antal bezogen also damals dieses Haus unten. In der Achse des Haupteingangs befand sich auf dem Stockwerk auch heute noch das Oratorium der Paulaner im gleichen Zustand wie einst, und daher kam es, dass man die Flügel als »rechts von der Kapelle« und »links von der Kapelle« bezeichnete. Am äußeren Bild hatte sich nichts verändert. Alles war weiß gestrichen, streng und schmucklos. Man hatte einzig hier und dort die Wand zwischen zwei Zellen durchbrochen, um größere Zimmer zu schaffen, und die Korridore hatten sich mit Reh- und Hirschgeweihen gefüllt.
    Fanny verließ ihr Gastzimmer, den ersten Raum im Flügel links von der Kapelle. Daneben lag ihr Badezimmer, danach folgte eine Nebentreppe. Dann reihte sich wieder Tür an Tür. Alle hatte man aus teuren Hölzern gezimmert und auf priesterliche Art mit viel Geschnörkel ausgelegt. Auch kleine, moderne Kupferrahmen waren an den Türen befestigt, in die man Kärtchen mit den Namen der Gäste einzulegen pflegte. Zwei Täfelchen waren leer, das dritte zeigte Wuelffenstein an, ihren Bruder, das vierte Abády. Nach der Ecke standen die Namen Wárday und dann Slawata. Weiter, zwischen zwei Treppen, befand sich der torförmige Eingang zur Paulaner-Kapelle, dann folgten weitere Türen: Räume, welche die Söhne des Hausherrn bewohnten, das Zimmer von Luika Kollonich; der Flügel gegenüber gehörte den Frauen der Familie Szent-Györgyi. Dieser Flügel »rechts von der Kapelle« endete bei der Hauptfassade, wo die Gräfin ihren Wohntrakt hatte. So weit ging Fanny nicht; sie machte kehrt.
    Auf dem Rückweg las sie an einem Türflügel den Namen Klára Kollonich. Sie wohnt also nicht mit ihrem Mann zusammen, dachte Fanny. Natürlich, da sie ja hochschwanger ist. Man hatte ihr auch gesagt, dass Klára in ihrem alten Jungmädchenzimmer untergebracht worden sei, besser gelegen, um sich von ihrer Tante und deren Schwester verwöhnen zu lassen. Ohne Interesse, sagte sich Frau Berédy und kehrte zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Sie stieg ins Erdgeschoss hinunter. Sie spähte nach rechts und links. Ebenso wie oben gab es auch hier an den weiß gestrichenen Korridorwänden Hunderte von Reh- und Hirschgeweihen. Die gleichen Türen wie im oberen Stock reihten sich aneinander. Vorsichtig näherte sie sich der Haupttreppe, weil sie vernommen hatte, dass sich hier die Tür zu Szent-Györgyis Rauchsalon befand. Doch sie brauchte nicht so weit zu gehen. Die zweite, offen stehende Tür führte zum Schlafzimmer. Ein mächtiges Bett stand darin, darauf zur Auswahl ausgelegt mehrere Jagdgewänder; der zu den Bediensteten des Hausherrn gehörende Jäger war gerade dabei, sie wieder in die Schränke zu hängen. Ein Glück, dass der Diener ihr den Rücken zudrehte und nicht bemerken konnte, dass sie hineinblinzelte. Es war die zweite Tür, die zum Schlafgemach führte, die erste ging also gewiss in das zugehörende Badezimmer, wie oben bei ihr. Käme also Szent-Györgyi hinauf, brauchte er nur hier den Fuß hinauszusetzen, und schon wäre er bei der Nebentreppe; käme aber sie herunter, müsste sie nur bis zu dieser Stelle aufpassen und dann rasch hineinschlüpfen. Das ist ja leicht, sagte sie bei sich,

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