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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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schaffen. Dies aber nur in dem Fall, wenn der Hof von Jablánka – sagen wir es so, damit ich mich an den hiesigen richtigen Stil halte – dem Prozess sein Wohlwollen nicht versagt.«
    Hier meldete sich Wuelffenstein zu Wort. Er suchte sich zu mäßigen, denn er wusste, dass bei den Szent-Györgyis jede Art von Leidenschaftlichkeit als eine Sünde wider den guten Ton galt. Seine Stimme zitterte trotzdem ein wenig: »Von uns bei der Verfassungspartei kann man das nicht wünschen. Letztes Jahr, als die Kreise verteilt wurden, gingen wir bereits ziemlich schlecht aus. Das widerspricht auch der Vereinbarung der Parteien!«
    Das fein rasierte Gesicht des Pfaffulus wandte sich Frédi zu. Seine Brauen – wie die Fühler eines Käfers – regten sich heftiger. Er holte sein langstieliges Lorgnon hervor, das er zwischen zwei Knöpfen über seinem roten Seidenzingulum eingesteckt trug, und nahm damit Wuelffenstein ins Visier.
    »Trotzdem, nach meiner bescheidenen Auffassung wäre auch die Meinung der Wähler einigermaßen richtungweisend.«
    »Den Wählern kann es egal sein, für welche Koalitionspartei sie stimmen, wir sind ja im selben Lager mit Programmen, die im Wesentlichen einander gleichen«, entgegnete der andere.
    »Das ist richtig gesagt«, meinte Szent-Györgyi mit frostigem Spott, doch mit unbeweglicher Miene, »in der Tat, es gibt zwischen euch nicht den geringsten Unterschied.«
    Das war eine Anspielung auf die Forderungen nach Lockerung des Ausgleichs, auf die sich die beiden regierenden 67-er-Parteien zusammen mit den Parteigängern der Unabhängigkeit verpflichtet hatten. Wuelffenstein jedoch begriff nicht.
    »Na, nicht wahr?«, sagte er freudig. »Weder Kossuth noch die Volkspartei darf einen Kandidaten stellen. Darauf haben sie kein Recht. Und dass wir ein Mandat übergeben sollen? Niemals!«
    »En politique et en amour il n’y a ni jamais ni toujours!« 44 , bemerkte Frau Illésváry scherzhaft.
    »Und das Recht? Bleibt es für immer unverändert?«, fragte Pfaffulus mit seiner süßlichen Stimme.
    »Es ist eine alte These, dass das Recht, auf welches man nicht verzichtet, erhalten bleibt, jenes aber, das man aufgibt, verlorengeht …«
    »Und bleibt das Bündnis der regierenden Parteien auch für immer erhalten? Und wenn die Wahlrechtsreform kommt, ist es sicher, dass die Parteien dann zusammenbleiben? Sind sie jetzt in den kroatischen Angelegenheiten wirklich zusammen? Ich kann schwerlich glauben, dass Andrássy mit der Schwächung der uns gegenüber zuverlässigen kroatischen Unionistenpartei einverstanden ist.«
    Nach Frau Szent-Györgyis Meinung war jede Diskussion ungehörig, diese aber ganz besonders, da sie über ungarische Politik vor einem Fremden geführt wurde. Sie wandte sich darum zu ihrem Nachbarn zur Linken, Slawata, und sagte – im Vergleich mit ihrem gewöhnlichen Ton ziemlich laut, um die anderen zu ermahnen – auf Deutsch: »Verzeihen Sie, Graf Slawata, dass die Leute da jetzt ungarisch sprechen, aber es geht um Innenpolitik, die Sie ohnehin nicht interessieren dürfte.«
    Der Botschaftsrat drehte die riesigen Brillengläser vor den kurzsichtigen Augen lächelnd der Hausfrau zu. »Oh, ich kann einigermaßen Ungarisch; ich habe bei den Husaren gedient. Und die Anspielung von Hochwürden ist sehr treffend. Um die kroatischen Unionisten ist es tatsächlich schade. Die einzige Partei, die kaisertreu ist, und man sagt …«
    Szent-Györgyi unterbrach ihn: »Königstreu!« 45 Denn trotz all seinem Wienertum und allein schon aus Treue zu Franz Joseph bestand er sehr auf den dualistischen Formen. Es tat ihm auch nicht leid, diesem Geheimrat im Belvedere ein Nasenstüberl zu verpassen.
    »Natürlich! Natürlich!«, sagte Slawata unter Verbeugungen und griff den verlorenen Satz wieder auf: »Man sagt, der Banus wolle Wahlen ausschreiben. Das ist recht besorgniserregend. Es steht zu befürchten, dass dies in der Katastrophe endet.«
    Die weitere Konversation galt nun den Zuständen in Kroatien, und sie wurde mit ziemlich weitgehendem Einbezug der Einzelheiten geführt, denn Szent-Györgyi besaß ein Gut im Szerémség, und Pfaffulus konnte auf kirchliche Quellen zurückgreifen, sodass beide über die dortigen Angelegenheiten sehr gut unterrichtet waren. Dies alles ging aber in jenem gemäßigten und gedämpften Ton vor sich, in dem Meinungen nur durch Schattierungen zum Ausdruck kamen, wie eben die alte Diplomatie imstande war, selbst die größten Gegensätze mit Worten kundzutun, die sich

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