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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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für die Sache der Genossenschaften. Das ist gut, sehr gut.«
    Bálint wunderte sich.
    »Oh, bitte, ich höre vieles«, fuhr der Priester mit einem feinen Lächeln fort, »ich besuche oft Ihre Verwandten, ich zelebriere jeden Sonntag die Messe, wenn ich zu Hause in Tyrnau bin. Ich bin da beinahe so etwas wie ein altes Möbelstück, denn ich war früher einmal Graf Antals Erzieher. Ich bin der ›Pfaffulus‹. Er hat mich so getauft, der freche Bengel. Haben Sie von mir noch nie gehört? Hinter meinem Rücken nennen mich auch hier, wie ich weiß, die Kinder so, aber ich warne Sie, mir direkt ins Gesicht sagen darf das nur Graf Antal!« Und er drohte Abády scherzhaft mit dem Finger.
    »Diesen Namen habe ich in der Tat gehört«, antwortete Bálint lachend, »und ich darf Ihnen sagen, dass er immer mit großer Zuneigung genannt wurde.«
    Bei solch leichter Unterhaltung gingen sie auf und ab, denn obwohl eine Unmenge von Möbeln herumstanden, lauter rot und golden gemusterte Brokatkanapees und Fauteuils, an einem Ende ein langer Flügel und am anderen eine Palme, so schien der riesige Saal doch beinahe leer zu sein.
    Der Stiftsherr blieb nach einigen Sätzen stehen. Seine leicht dickbauchige Gestalt streckte sich, er blickte um sich, ob niemand zuhöre, dann wandte er sich an Bálint. Seine mächtigen Brauen bewegten sich jetzt hin und her wie die Fühler des Bockkäfers. »Sagen Sie bitte, was ist mit Ihrem armen Verwandten, mit László Gyerőffy, dem Neffen der Gräfin?«
    Abády wollte die Umstände kurz darlegen, die dazu geführt hatten, dass László aus der Gesellschaft in Budapest verschwinden musste. Er erwähnte die unbezahlte Spielschuld, den Austritt aus dem Casino, aber Czibulka schnitt ihm das Wort ab: »Ich weiß das alles und womöglich noch viel mehr. Als er zum letzten Mal hier war, machte er mir schon großen Kummer. Ich frage Sie, wie es jetzt um ihn steht. Ist er zu sich gekommen? Hat er Trost gefunden?« Er wartete kaum einige erklärende Worte ab und fiel schon wieder ein: »Der Arme tut mir sehr leid, ich sah ihn hier häufig, hatte ihn sehr gern, und ich denke oft an ihn. Schauen Sie …«, und nun kramte er in der Tasche seiner Soutane und holte ein Päckchen in Seidenpapier hervor, »das habe ich für ihn aus Rom mitgebracht, eine Medaille, der Heilige Vater hat sie gesegnet. Lassen Sie sie ihm bitte doch zukommen, vielleicht nützt sie ihm, dem Armen, und richten Sie ihm aus, dass ich oft für ihn bete …« Die letzten Worte – »aber dies, nicht wahr, bleibt als ein Geheimnis unter uns« – sprach er schon beinahe hastig, denn die Tür drüben ging auf und Schritte näherten sich aus der Richtung der Bibliothek.

    »Pfaffulus«, sprach Antal Szent-Györgyi über den Esstisch hinweg, »Sie sind heute mit irgendeinem heimlichen Plan von Tyrnau hergekommen. Ich sehe das an Ihren Nasenflügeln.«
    Der Abt spielte den Erschrockenen und betastete mit zwei Fingern seine Nasenspitze. »Tatsächlich«, erwiderte er, »welch ein entsetzlicher Verräter!« Und er lachte. Danach aber ließ er sich gar nicht bitten, sondern legte sein Anliegen dar. Der benachbarte Kreis Szerencs sei vakant geworden. Es werde eine Nachwahl geben. Zu zwei Dritteln seien es ungarische Dörfer, lauter wilde 48-er. Ein Drittel stellten Slowaken, Anhänger der Volkspartei. Der bisherige Abgeordnete habe zu den Gefolgsleuten Andrássys gehört, das heißt zur Verfassungspartei. Diesen Erfolg habe man erzielen können beim Machtantritt der Koalition und in der damaligen Siegesstimmung, als die Mandate zentral verteilt worden seien. Heute stelle sich die Lage anders dar. Man sage, ein Kandidat der Unabhängigkeitsleute werde sich präsentieren, dem das Mandat gewiss sei, wenn sein Gegner von der Verfassungspartei kommen sollte, denn Andrássy und seine Freunde machten hier keinen Stich.
    »Und das wäre, wie ich meine, nicht allzu wünschenswert?«, fügte er hinzu und wandte sich an seine Nachbarin zur Linken, zur Hausfrau, als stellte er ihr die Frage. Frau Szent-Györgyi indessen lächelte nur, sie war eine friedfertige Frau; dafür antwortete Frau Illésváry, die links von ihrem Bruder saß, denn sie wiederum politisierte recht gern: »Das wäre das Allerschlimmste!«
    »Und doch kann es sehr wohl geschehen, wenn die Volkspartei keinen Kandidaten stellt und die Verfassungspartei auf den Kreis nicht verzichtet. Selbst dann wird es nicht leicht sein. Doch man kann es mithilfe des Klerus und der Provinzintellektuellen

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