Versehentlich verliebt (German Edition)
Dieses Jahr endet also doch nicht so gut, wie ich angenommen habe.
Kapitel 4
D iese Großfamilie ist wirklich der absolute Hammer und ich beneide sie ein bisschen. Sie kommt mir vor wie eine Pandabärenfamilie. Sie sitzen oder liegen ganz nah beieinander, haben aus Jacken Decken gemacht, aus Taschen Kopfkissen – und essen noch immer. Ich hingegen habe jetzt einen Mars-Riegel und die JOY. Die Bravo war leider von letzter Woche, und da ich mich letzte Woche schon mal mies gefühlt habe, na ja ... kenne ich sie schon. Ich lese also wieder einen dämlichen Artikel über die Darsteller von Twilight und ihr verkorkstes Liebesleben. Hinter meiner linken Schulter taucht das älteste Mädchen der Familie auf und liest mit. Einfach so. Sie sollte ihre Eltern anflehen, ihr auch diese Zeitschrift zu kaufen, denn ich hasse es, wenn Menschen mir etwas weglesen. Ich sehe die Buchstaben förmlich. Ich bin kurz davor, straffällig zu werden.
„Willst du diese Zeitschrift vielleicht haben?“
Ich klinge viel ruhiger als ich mich fühle. Als das Mädchen schüchtern nickt, gebe ich sie ihr einfach – ohne den Artikel zu Ende gelesen zu haben.
Jetzt habe ich meine Ruhe, aber keine Unterhaltung mehr. Soll ich mich jetzt besser fühlen? Ich setze mir meine Kopfhörer auf und suche ein Lied aus der Sammlung auf meinem iPod, das zu meinem momentanen Gefühlsleben passt. Ich entscheide mich für einen Song von Philipp Poisel. Obwohl ich mich auf den Text und Philipps Stimme konzentrieren will, ist mir nicht entgangen, dass der letzte Aufruf für den Flug nach Hamburg schon ausgerufen wurde. Also sitzt Lukas jetzt im Flieger, in einem der wenigen, die diese Stadt noch verlassen. Und ich sitze hier und frage mich, wie ich das jemals meinen Eltern erklären soll. Es ist das schlimmste Weihnachten, das ich jemals „gefeiert“ habe. Vielleicht abgesehen von dem Jahr, als unser Tannenbaum gebrannt hat und das Wasser in meinem Goldfischglas als Feuerlöscher herhalten musste. Aber das ist lange her. Gut, letztes Jahr war auch nicht der Knaller. Aber dieses Jahr, alleine und verlassen am Flughafen – dieses Jahr stellt alles in den Schatten.
„Sie haben eine Cola bestellt?“
Ich sehe etwas überrascht zu dem Kellner, der aus dem Café hinter mir gekommen ist. Er trägt ein weißes Hemd, eine schwarze Weste und ein rotes Namensschild, das seinen Namen, Robert, verrät. Inzwischen gäbe es im Café genug freie Plätze, aber ich will heute mit niemanden mehr reden und ganz sicher habe ich keine Cola bestellt.
„Ähm ... nein ... das habe ich nicht.“
Es sei denn, er empfängt telepathisch Bestellungen, aber dann wäre er nicht hier, sondern beim Supertalent oder einem ähnlichen TV-Format. Ist nicht so, dass ich sie nicht trinken würde, aber ich habe sie nicht bestellt. Daran könnte ich mich doch noch erinnern, oder hat mich die Winterdemenz wirklich schon so stark befallen? Der Kellner ist ein pickliger junger Kerl, der mit diesem Job vermutlich sein Studium finanziert und an Weihnachten auch andere Pläne haben sollte. Vermutlich ebenfalls Single. Der Arme, ich weiß wie er sich fühlt. Es tut mir Leid, ihn wieder wegzuschicken, aber ich leide besser ohne Cola.
„Nun, der Mann da drüben hat gesagt ...“
Nur langsam folge ich mit dem Blick seinem ausgestreckten Finger – und meine, die Sekunden würden zu Stunden. Aber da sehe ich ihn! Der Hut, die Jacke, die Taschen und die blauen Augen. Unverändert. Lukas. Sein Flieger soll doch jede Minute starten! Was zum Henker macht er dann noch hier?
„Ja dann ... danke!“
Ich nehme die Cola und warte, bis der Kellner weg ist. Lukas steht mit seiner Tasche noch immer am Eingang zum Café. Obwohl Philipp Poisel mich gerade fragt, wo mein Himmel anfängt, nehme ich die Kopfhörer ab und hoffe, dass er nicht meine Frisur ruiniert hat. Will Lukas denn nicht rüberkommen? Ist es womöglich nur ein Pappaufsteller, den er mir zum Trost hat anfertigen lassen? Nein, er setzt sich in Bewegung, kommt auf mich zu … Und dann liegt seine Tasche auch schon wieder auf unserem Wagen.
„Hi.“
„Hallo.“
So fangen die besten Unterhaltungen an, habe ich mir sagen lassen.
„Ich konnte nicht in den Flieger steigen. Die Vorstellung, dass du hier alleine mit einem Gepäckwagen sitzt ....“
„Mr. Spontaneität, ja?“
Er nickt und lächelt.
„Du hast gerade das Drehbuch zu E.T. umgeschrieben, das ist dir schon klar.“
Er zuckt nur lässig die Schultern.
„Damit kann ich
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