Versehentlich verliebt (German Edition)
mich übergeben. Direkt auf ihre schicke Uniform.
„Und was kann ich für Sie tun?”
Bei mir klingt das alles dann nicht mehr ganz so höflich. Ich bin mir sicher, dass sie das nicht wirklich wissen will. Was sie für mich tun kann? Lukas hier lassen! Ich hebe nur die Hand und murmele etwas von wegen „Kein Bedarf“. Dann marschiere ich energisch weg, dicht gefolgt von Lukas.
„Bist du sauer, weil ich fliege?“
„Was? Nein ... das wäre ja ... Ach, Unsinn ... Wieso? Kann mir doch egal sein.“
Jetzt sieht er aus wie ein geschlagener Hund. Nicht wie ein Kampfhund, sondern wie einer dieser Taschenhunde, die einen ansehen, als wollten sie sagen: „Wir haben kein Zuhause. Nimm uns mit.“ Ich muss kurz an meine Kindheit denken, als im TV die Werbung für die Knuddel-Hunde, die Wauzis, lief. Sie wurden in diesen hässlichen Kartons verkauft, die tatsächlich aussahen wie ein Zwinger. Und sobald man die Eltern überredet hatte, so ein Hündchen zu kaufen (das dauerte bei dieser tränenreichen Werbung nie besonders lange), riss man den Karton auf und fühlte sich wie ein aktives Mitglied von Greenpeace. Zurück zu Lukas.
„Ich meine ... nicht, dass es mir egal ist ... Ich wollte nur ... Ach, ich freu mich für dich und deine Familie. Ehrlich.“
Ich bin ein guter Mensch. Ich freue mich wirklich. Aber wieso klinge ich dann jetzt auch so traurig, als würde ich gleich losweinen?
„Aber du bleibst dann hier ... alleine? Kann ich das verantworten?“
„Ach, ich bin doch schon groß.“
Ich simuliere eine Geste, in der ich meistens Arnold Schwarzenegger oder Ralf Möller (oder beide?) gesehen habe. Irgendwas zwischen Bodybuilder und Totalversager. Lukas lächelt. Traurig, aber er lächelt. Vielleicht überlegt er es sich ja doch noch mal anders und bleibt hier. Bei mir.
„Ich lasse dir natürlich den Gepäckwagen da. Ist ja Ehrensache.“
„Ein Gentleman.“
Ich wollte diesen Gepäckwagen so dringend haben – jetzt würde ich ihn sofort zurückgeben, wenn ich Lukas dafür behalten dürfte.
„Ich fand es toll dich kennen gelernt zu haben.“
Ich nicke tapfer.
„Aber ich schulde dir noch eine Cola. Und ich begleiche meine Schulden immer.“
Soll mich das aufbauen? Soll es. Okay, er begleicht seine Schulden. Aber das sagt er vermutlich zu jedem Mädchen, welches er am Flughafen kennen lernt. Zuerst einen auf Softie machen und dann abhauen. Typisch Mann. Ich erinnere mich an den ersten echten und heftigen Streit mit Benny. Er war bei mir in Freiburg; statt sich dem Streit und mir zu stellen, hat er sein Zeug gepackt und ist abgehauen. Eine Stunde später stand er dann mit einer Packung Ben & Jerry Eis wieder vor meiner Tür. Das muss Liebe sein, finden Sie nicht? Aber natürlich ist mir jetzt klar, dass Benny inzwischen für Theresa Eis holt. Mir könnte Lukas Eis holen. Was er aber nicht tun wird. Er wird nach Hamburg fliegen, was ich noch immer ein bisschen bedauere. Ich würde so gerne mal seine Haare sehen, die er noch immer unter diesem schwarzen Hut versteckt. Ich greife nach seinem Hut und ziehe ihn einfach vom Kopf. Er lässt es mich tun, ohne zu fragen oder sich zu beschweren. Sie sind nicht so kurz, wie ich gedacht habe. Im Nacken werden sie lockig und jetzt rutscht ihm eine Haarsträhne ins Gesicht, die er mit einer geübten Handbewegung wieder aus seiner Sichtbahn schiebt.
„Durchgefallen?“
„Was?“
„Die Frisur. Ist sie durchgefallen?“
Ich schüttele den Kopf und reiche ihm den Hut zurück.
„Ganz im Gegenteil.“
Zufrieden setzt er sich den Hut wieder auf und sieht mich dann ernst an.
„Also, wenn ich deine Telefonnummer haben könnte, dann werde ich dich auch mal anrufen. Du telefonierst doch so gerne.“
Es mag nur ein kleiner Strohhalm sein, aber ich bin gewillt, mich mit meinem ganzen Kampfgewicht (55 Kilogramm bei einer Größe von knapp 1 Meter 60) an ihn zu klammern. Vielleicht ruft er ja wirklich mal an. Mitten in der Nacht, weil ich ihm fehle? Unsinn. Solche Dinge passieren nicht im echten Leben. In Romanen oder Filmen, aber nicht in Pippa Wunschs Leben. Was mich verwirrt, ist die Tatsache, dass er mir sein Buch mit dem Titel Herr der Ringe reicht. Zusammen mit seinem Kuli, den er aus der gleichen Tasche zieht wie das Feuerzeug vorhin. Das Buch sieht gebraucht aus, vielleicht weil er es immer und immer wieder gelesen hat. Bei meinem Glück vergisst er das Buch im Flugzeug. Aber dann könnte er noch immer über das Radio eine groß angelegte Suchaktion starten.
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