Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
stimmt’s?«
»Wir wollen nach Westen«, unterbrach Specs ihn. »Du solltest mitkommen!«
»Was in aller Welt soll ich im Westen?«
»Im Westen geht’s ab, da tut sich noch was.«
Ich suchte Specs Blick und gab ihm zu verstehen, dass er das Schattengebilde nicht erwähnen durfte. Jetzt noch nicht, vielleicht auch nie mehr, und ganz bestimmt nicht gegenüber diesem Rowdy. Sean schien ja ganz in Ordnung zu sein, trotzdem war er ein knallharter Gangster, dem ich ungern den Rücken zugewandt hätte.
Während Sean sich auf dem Sofa ausgestreckt hatte, hockten wir auf unseren Schlafsäcken am Boden. Im Zimmer stand ein abgesperrter grüner Waffenschrank aus Stahl, den ich gern geplündert hätte. Überall lagen nützliche Dinge aus Armeebeständen herum: Klamotten, Konserven, medizinische Gerätschaften, Arzneimittel und vieles andere. Offenbar hatte Sean sich gründlich beim örtlichen Armeestützpunkt oder auch beim Waffenlager der Nationalgarde eingedeckt. Während ich ihm zuhörte, starrte ich in die flackernde Flamme eines Petroleumkochers aus denselben Beständen.
»Tja, für morgen hab ich wunderbare Pläne, Brüder«, sagte er und blickte ins Dunkle hinauf. »Nicht mal zwei Straßenzüge von hier liegt ein Nest der Trogs, ganz in der Nähe von dem Ort, wo ich auf euch gestoßen bin, Jungs. Muss dort einen Einstieg in die Kanalisation oder in irgendeinen Schacht geben, hab ihn bisher aber noch nicht gefunden. Da unten müssen sie irgendwo sein, Brüder. Und ich schnapp sie mir, darauf könnt ihr einen lassen. Nichts gibt einem einen größeren Kick als die Jagd auf Trogs. Ihr Jungs solltet mitmachen. Ich zeig euch schon, wie’s geht.«
»Wir suchen aber nach einem Wagen«, entgegnete Specs.
»Vielleicht kann ich euch morgen einen besorgen. Aber erst müsst ihr mir dabei helfen, ein paar Trogs umzulegen.« Er lachte. »Und jetzt pennen wir wohl besser. Die Jagd auf Trogs ist Schwerarbeit. Mach den Kocher aus, Nash. Und dann legt euch hin.«
7
Am folgenden Morgen frühstückten wir ausgiebig. So gut hatte ich wochenlang nicht mehr gegessen. Seans Vorräte stellten unsere normale Diät aus Corned Beef und kalten Spaghetti weit in den Schatten. Er besaß jede Menge Lebensmittel und Fertiggerichte aus Armeebeständen, also verschlangen wir wie in den guten alten Zeiten Rühreier mit Schinkenspeck, Cracker und Marmelade, und als Nachtisch gab es Pfirsichkompott.
»Esst euch satt, Jungs«, forderte Sean uns auf. »Ihr werdet die Kraft noch brauchen.«
Wie sich herausstellte, hatte er recht. Später sollte ich mich immer wieder daran erinnern, dass Sean sehr oft recht hatte.
Nun ja, er rüstete uns mit Waffen aus und verleitete uns zu einer Jagd auf Trogs. Mir gab er eine 9-Millimeter-Beretta und eine .30-06 Savage, Specs eine .357 Bluesteel Smith, wobei er ihn ermahnte, sich damit nicht selbst in den Fuß zu schießen. Außerdem sorgte Sean dafür, dass wir gelbe Bergarbeiterhelme mit Stirnlampen aufsetzten. Da Batterien Mangelware waren, sollten wir die Lampen nur auf sein Kommando einschalten.
Danach zeigte Sean mir die beiden weißen Phosphorgranaten, die er sich besorgt hatte.
»Für die Trogs?«, fragte ich.
»Falls man auf ein ganzes Rudel stößt, kann man damit alle auf einen Schlag erledigen. Hoffe, dass ich die Handgranaten diesmal einsetzen kann.«
Mein Gott!
Sie fragen sich, wieso wir dabei mitmachten? Keine Ahnung. Sean setzte uns weder unter Druck noch bedrohte er uns. Jederzeit hätten wir weggehen können – natürlich ohne die Waffen, die er uns gegeben hatte –, doch eigentlich wollten wir das gar nicht.
Sean verblüffte mich nicht zuletzt dadurch, dass er stets einen kühlen Kopf bewahrte und nie die Nerven verlor. Natürlich war er ein äußerst gefährlicher Zeitgenosse, aber auf eine ganz eigene Art auch ehrlich und loyal. Und er wusste sich stets zu helfen. Es gab kaum was, das er über Waffen, Munition und Kampftechniken nicht gewusst hätte. Wenn er etwas beherrschte, dann war es die Kunst zu überleben.
Einige Stunden nach dem Frühstück, das wir gegen Mittag gegessen hatten, befanden wir uns wieder in der Umgebung, in der Sean uns aufgegabelt hatte. Er führte uns in ein vom Einsturz bedrohtes Gebäude nahe am Fluss. Die meisten Fenster waren mit Brettern zugenagelt und alle Wände mit Graffiti besprüht. Ich hatte den Eindruck, dass dieses Gebäude schon viele Jahre leer stand, nicht erst seit dem Zusammenbruch unserer Welt. Drinnen war es staubig und verdreckt;
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