Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
die Atmosphäre gelangt, und eine Zeit lang war es ziemlich kalt gewesen, da die Sonne durch all das nicht mehr hindurchdrang. Doch zum Glück hatte das nicht angehalten. Was sich oben angesammelt hatte, kam irgendwann auch wieder zur Erde hinunter. Nur wurden diese Anlagerungen hin und wieder von einer heftigen Böe erfasst und wirbelten dann überall herum. Manchmal war es nur Sand, aber gelegentlich auch Staub, von radioaktivem Niederschlag so gesättigt, dass er alles, was seinen Weg kreuzte, verzehrte.
Darüber hinaus traten auch sonderbare Gewitter voller elektrischer Ladungen auf, die den Himmel verdüsterten und brodeln ließen. Wenn er an einigen Stellen aufriss, offenbarte er gezackte, rötlich und violett glühende Schichten. Sobald der Wind einsetzte, fuhren Blitze aus den Wolken auf die Erde hinab, spalteten Bäume, schlugen in Hausdächer ein und lösten Feuersbrünste aus, die tagelang anhielten.
Vielleicht würde der Planet eines Tages aus eigener Kraft wieder gesunden, aber das würde noch lange auf sich warten lassen.
Und jetzt waren wir in diesem Einkaufszentrum gestrandet und hatten keine andere Möglichkeit, als den Sandsturm auszusitzen. Da wir nichts Besseres zu tun hatten, gingen wir »einkaufen«. Größtenteils war die Mall so gut wie unberührt. Wenn die Menschen zuhauf an einer Seuche oder der Strahlenkrankheit sterben, verlieren Handelsketten wie Elder-Beerman, Footlocker oder die Great American Cookie Company zwangsläufig jede Bedeutung. Natürlich hatte einiges im Einkaufszentrum Schaden gelitten, aber nicht so vieles, wie man hätte erwarten können. Bei Goodyear deckten wir uns mit Werkzeug, Wagenzubehör und Ersatzteilen ein, bei Champs Sports mit neuen Stiefeln und Socken und bei Leather & More mit neuen Jacken. Während Texas und Carl bei Spencer’s Gifts herumalberten, plünderte Janie Bath & Body Works. Ich hatte schon alles besorgt, was ich haben wollte, stand inzwischen im Gastronomiebereich herum und starrte voller Gier auf die Fast-Food-Läden, die ich im jetzigen Dasein am meisten vermisste: Papa John’s Pizza-Schuppen und Taco Bell.
Mich deprimierte dieses Einkaufszentrum. Schon in der guten alten Zeit hatte ich solche Malls als ziemlich deprimierend empfunden, aber so einsam und verlassen und von oben bis unten mit Staub überzogen, wie die Concord Mall jetzt dalag, wirkte sie verstörend und geradezu unheimlich.
Die ganze Welt hatte Schiffbruch erlitten und solche Errungenschaften wie Zivilisation, Kunst, Dichtung und jede Art von Kultur und geistigem Leben mit sich hinuntergezogen. Bibliotheken und Schulen waren, sofern sie nicht bombardiert worden waren, aus anderen Gründen in Flammen aufgegangen. Aber künstliche Gebilde wie diese Mall hatten überlebt und standen noch. Plastikmuseen, Denkmäler der Gier, des Geldes und des Massenkonsums, der sich einen Dreck um den Rest der Menschheit scherte. Die dunkle Seite des amerikanischen Traums, der Krebs, der uns von innen her aufgefressen hatte, der hungrige Wurm, der niemals satt wurde. Kaufen und Geld ausgeben waren für uns doch wie Drogen gewesen, stimmt’s? All diese Dinge, die man sich eigentlich gar nicht leisten konnte und trotzdem kaufte. Auf diese Weise waren die Konzerne reich geworden und die Kreditkartengesellschaften aufgeblüht. Der kleine Mann verkaufte nicht nur seine Seele, sondern auch seine Würde für einen verlogenen, ihm von außen aufgedrängten Lebensstil.
Während ich so dastand und zu den Geschäften und Auslagen hinüberblickte, empfand ich unwillkürlich Abscheu. Was, wenn wir uns weniger um unsere Geldbeutel und mehr um unsere Mitmenschen gekümmert hätten? Wäre die Welt dann vielleicht – und das war ein großes Vielleicht – immer noch grün, sonnig und voller Kinderlachen? Hätte sie sich dann nicht in diese radioaktiv verseuchte Wüste verwandelt, heimgesucht von Mutanten, Wahnsinnigen und Pandemien? Zwangsläufig fragte ich mich, ob wir unser Schicksal womöglich verdient hatten. Ob in Anbetracht des von uns eingeschlagenen Weges, dieser geist- und seelenlosen Lebensweise, die von Tag zu Tag mehr um sich gegriffen hatte, der Untergang unserer Welt nicht unvermeidlich gewesen war.
Doch letztendlich lag die Verantwortung dafür nicht allein bei uns. Die Evolution hatte uns zu dem gemacht, was wir jetzt waren. Unsere Vorfahren waren aus purer Not habgierig gewesen, weil sie sonst nicht überlebt hätten. Je mehr der eigene Stamm besaß, desto eher bestand die Chance, durch den
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