Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
Nahrungsmittel, Waffen und frisches Wasser aus Beutezügen bei. Das klappte wunderbar.
Doch dann packte Jemmy das Fieber.
Die Symptome ähnelten denen, die ich bereits erwähnt habe. Es dauerte nur sechs Stunden, bis ihre Augen knallrot waren – Texas bezeichnete sie als »Dracula-Augen« – und ihr das Blut aus Nase, Vagina und Hintern schoss, aus den Poren sprudelte und aus den Ohren tropfte. Mehrere Stunden lang ähnelte sie einer Zeitbombe, die gleich explodieren würde. Das Fieber verzehrte sie von innen her und sie stank wie ein verstopfter Abfluss nach feuchtem Moder. Während ihr das Blut herausquoll, die Haut eine wächserne Färbung annahm und das Fleisch aufplatzte, konnte sie sich nicht mal mehr aufsetzen und starrte nur noch ins Leere. Aufgrund des Fiebers verglühte ihr Körper sozusagen, bis sie schließlich »kollabierte und ausblutete«, wie die Seuchenspezialisten es nennen würden. Irgendwann setzten Krämpfe ein. Zugleich kotzte sie große schwärzliche Brocken arteriellen Blutes aus, die überall herumspritzten und auch die Menschen trafen, die die Kranke zu versorgen versuchten, einschließlich Texas. Darüber hinaus erbrach sie auch große Mengen einer schmierigen schwarzen Substanz. Texas erzählte, der ganze Raum habe wie eine volle Kotztüte gestunken. Aber am schlimmsten, sagte er, sei das Geräusch gewesen, als ihr Anus aufriss und Blut und Gewebe herausdrangen – vermutlich die Reste ihrer inneren Organe. Danach starb sie sehr schnell, ertrank sozusagen im eigenen Blut und in den eigenen Giftstoffen.
Die meisten Menschen wären wohl schon lange vor dem Tod eines solchen Pflegefalls davongerannt, und viele Mitglieder der Kommune hatten das auch getan, nicht aber Texas Slim.
Über und über mit Jemmys Körperflüssigkeiten besudelt, harrte er bis zum Ende aus. Er sagte, ihm sei gar nicht der Gedanke gekommen, er könne sich dabei selbst tödlich infizieren. Allerdings nehme ich ihm das nicht ab. Sicher war er sich dessen bewusst gewesen, nur war und ist er einfach nicht die Sorte Mensch, die Hilfsbedürftige im Stich lässt. Und er war sogar bereit gewesen, das eigene Leben zur Unterstützung anderer aufs Spiel zu setzen.
Von den zwölf Menschen, die bis zum Schluss bei Jemmy gewesen waren, erkrankten elf binnen 24 Stunden selbst am Fieber. Alle bis auf Texas.
In den folgenden zwei Tagen kümmerte sich Texas rund um die Uhr um die elf Erkrankten, erlebte mit, wie sie kollabierten und ausbluteten. All diese Kranken, zusammengepfercht auf engstem Raum, die nach verseuchtem Blut und saurem Erbrochenen stanken, sich in Krämpfen wanden und ihre inneren Organe ausschieden! Ihre blutroten wässrigen Augen starrten Texas immer noch an, während sie die letzten Innereien erbrachen und danach verstarben. Er bestattete alle auf einem unbebauten Nachbargrundstück.
Er erzählte mir die Geschichte, als wir beide allein bei einer Flasche Jack Daniel‘s zusammensaßen, den anderen wollte er nichts davon sagen. Während ich ihm zuhörte, kam es mir so vor, als wollte er sich von all dem Gift in seiner Seele befreien. Sein Bericht machte mir Angst. Einerseits deswegen, weil ich mich fragte, ob Texas vielleicht immer noch Krankheitsüberträger war, andererseits deswegen, weil ich zum ersten Mal aus erster Hand hörte, welche furchtbare Krankheit in den Städten da draußen umging. Im Vergleich zu dem, was Texas durchgemacht hatte, kam mir die Pflege meiner Frau, die langsam an Cholera gestorben war, fast undramatisch vor, obwohl mich ihr Tod immer in meinen Träumen verfolgte.
Doch Texas hatte überlebt. Sowohl das Virus als auch die entsetzliche persönliche Erfahrung.
Sicher verstehen Sie jetzt, warum ich solche Angst vor Krankheitserregern habe. Angst vor dem, was sie einst waren, Angst vor dem, was sie geworden sind. Und sie mutieren immer noch, wandeln sich ständig, denn das liegt in ihrer Natur.
Doch das Schlimmste war, dass diese Krankheitserreger mir den Traum ins Gedächtnis riefen, den ich im Lagerraum in South Bend hatte. Welche Entwicklungsstufe hatten sie inzwischen erreicht? Welche perverse Richtung hatte die Evolution eingeschlagen, wenn sie ein solches Phänomen hervorgebracht hatte, wie ich es seinerzeit in meinem Wachtraum gesehen hatte? Welchen mutierten Virenstamm hatten die in ihren Gräbern vermodernden Pestkranken erzeugt und mittlerweile in die Wirklichkeit entlassen?
Ich wusste es zwar nicht, spürte aber, wie dieses Phänomen näher und näher kam, nach Westen
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