Versprechen eines Sommers
gemacht. Sie kämpfte die ganze Strecke zum Ufer gegen ihn an, prustete und beschimpfte ihn als verrückt, nannte ihn einen Freak und einen Idioten.
Aber sie tat ihm damit sogar einen Gefallen. Als er endlich am Ufer ankam und sich für seinen Sprung entschuldigen wollte – ich dachte wirklich, dass sie ertrinkt –, merkte er, dass Lolly Bellamy für noch etwas gut gewesen war: Sein Steifer war komplett verschwunden.
Camp Kioga – Chroniken, 1941
Camp Kioga ist auf den Prinzipien der Fairness, der Gleichheit, der Wertschätzung harter Arbeit und der Wichtigkeit eines guten Charakters gegründet worden.
8. KAPITEL
H eilige Scheiße.“ Connor Davis’ ungläubiger Ausruf dröhnte über den Vorplatz. „Lolly?“ Okay, dachte Olivia und wischte sich die Hände ab, die vom Klettern auf der Leiter ganz staubig waren. Vielleicht ist es ein wenig befriedigend, den Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen, diese Mischung aus Verwunderung und Verwirrung.
Die nun ordentlich gehissten Flaggen flatterten in der kühlen Morgenbrise, und irgendwo in den Wäldern rief eine Wachtel. Die Zeit schien wie eingefroren, wie irgendwo in den letzten neun Jahren hängen geblieben zu sein. Was wäre es für eine Befriedigung, ihn kurzerhand zu entlassen, ihm zu sagen, dass sie das Projekt seinem Mitbewerber gegeben hätte. Aber sie hatte keinen anderen Bauunternehmer in der Nähe finden können, und es sah auch nicht so aus, als wenn ihr das noch gelingen würde.
Außerdem musste Olivia ehrlich zu sich sein. Das hier war Connor Davis. Warum würde irgendein normales, atmendes Mädchen mit irgendjemand anderem arbeiten wollen?
Er stand tatsächlich vor ihr, in Fleisch und Blut – besser gesagt in altem Leder und ausgeblichenen Jeans. Er sah immer noch unglaublich gut aus. Nicht auf diese geschniegelte, privilegierte Art wie zum Beispiel ein Rand Whitney. Connor Davis hatte nichts Hübsches. Seine Gesichtszüge waren zu kantig, sein schwarzes Haar etwas zu lang, die stechenden blauen Augen zu intensiv. Er war immer der gefährliche Junge von der falschen Seite der Stadt gewesen und hatte auch immer so ausgesehen. Sie fand seinen Anblick verwirrend, und entsetzt bemerkte sie, dass seine körperliche Nähe ein leichtes Flattern in ihrem Magen auslöste. Sie wollte sich von ihm nicht angezogen fühlen. Er ist ein Mitglied des gleichen Clubs wie Rand Whitney, Richard und Pierce, rief sie sich in Erinnerung. Die vier gehörten einer Bruderschaft an, deren Mitgliederzahl weiter wuchs: Männer, die sie sitzen gelassen hatten. Connor war nur der Erste gewesen – und zugegebenermaßen der Einfallsreichste.
„Kannst du mir kurz mit der Leiter helfen?“ Sie brauchte eigentlich keine Hilfe, aber sie war verzweifelt bemüht, ihr inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen. Ihn zu sehen war, wie die Erinnerung an einen Albtraum erneut durchzumachen. Wenn sie ihn anschaute, konnte sie immer noch dieselbe verrückte Anziehung spüren, das Gefühl, das sie dazu gebracht hatte, eine Idiotin aus sich zu machen, damals, in diesem einen Sommer.
Er ging ihr nicht zur Hand, sondern schnappte sich die Leiter und trug sie alleine zum Geräteschuppen. Olivia musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten.
„Du kannst die Leiter einfach hier gegen das Gebäude lehnen“, sagte sie. „Das muss sowieso alles noch ausgeräumt und sauber gemacht werden.“
Connor nickte. „Ich muss mich mal ein bisschen freimachen“, sagte er. Auf dem Weg zurück zu seiner Harley öffnete er den Reißverschluss seiner Jacke. Die Ketten an seinen Stiefeln klirrten bei jedem Schritt. „Es ist heiß heute.“
Sie stand nur da und sah zu, wie er die verschiedenen Schnallen an der Jacke öffnete und die Chaps auszog, die er dann über den Lenker des Motorrads legte. Unter der Jacke kam ein weißes T-Shirt zum Vorschein, das sich eng an seinen Körper schmiegte und seine muskulöse Brust betonte. Seine ebenfalls durchtrainierten Arme waren von der Arbeit an der frischen Luft schon gut gebräunt, obwohl der Sommer noch kaum angefangen hatte. Sie wand den Blick ab, entschlossen, nicht zu interessiert zu erscheinen.
Auf eine perverse Art befriedigte es sie, dass er sie nicht erkannt hatte. Auf der einen Seite war es gut zu wissen, dass sie keine Ähnlichkeit mehr mit dem ungeschickten, übergewichtigen Teenager von früher hatte. Auf der anderen Seite machte es sie wütend, wie angetan er von ihrem neuen Äußeren war. Denn egal, wie sie heutzutage aussah, das unglaublich
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