Versprechen eines Sommers
unsichere Mädchen von damals war nie weit entfernt. Sie war ein Teil von Olivia und lebte direkt unter der hübschen, selbstsicheren Oberfläche.
Nur war sie jetzt älter und zeigte ihre Gefühle nicht mehr so offen. Sie trat einen Schritt zur Seite, um etwas mehr Distanz zwischen ihnen zu schaffen. „Weißt du, seit Jahren hat mich niemand mehr Lolly genannt.“ Ihre Stimme klang leicht amüsiert, locker, als wenn er einfach ein alter Bekannter wäre und nicht derjenige, der ihr das Herz herausgerissen und es blutend auf dem Boden hatte liegen lassen. „Als ich aufs College gegangen bin, habe ich nur noch meinen richtigen Namen verwendet.“
„Ich wusste nicht, dass du eigentlich Olivia heißt.“
Es gibt eine ganze Menge, von dem du dir nie die Mühe gemacht hast, es in Erfahrung zu bringen, dachte sie. „Ja, so wurde ich getauft. Olivia Jane Bellamy. Ganz schön hochtrabend, was? Nicht direkt ein Name für ein Kind. Eine meiner Cousinen hat mich immer Lolly genannt. Sie konnte noch nicht richtig sprechen, und Olivia war zu schwer für sie, also wurde Lolly daraus.“
„Die Geschichte hast du mir nie erzählt. Als ich jung war, dachte ich, alle reichen Kinder hätten Namen wie Binky und Buffy und Lolly. Aber nachzufragen, wieso das so war, hätte mich nur wieder als Außenseiter dastehen lassen, also habe ich es nie getan.“
„Wie bist du in Avalon gelandet?“, wollte sie wissen.
„Irgendwo muss ein Mann ja leben.“
„Das habe ich nicht gefragt.“
„Ich weiß. Nach diesem Sommer …“
Sie wusste, welchen Sommer er meinte, aber sie ließ es ihn nicht aussprechen – der Sommer, in dem ich dich zerstört habe.
„Nach diesem letzten Sommer ist mein Vater sehr … krank geworden. Es … es war einfach sinnvoll, hierzubleiben.“
„Es tut mir leid, was du durchmachen musstest“, sagte sie. Es muss fürchterlich sein, ein Elternteil zu verlieren, dachte sie. Vielleicht sollte sie es ihm sagen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.
„Wir haben alle so unsere Probleme.“
„Tja, dann …“, sagte sie mit erzwungener Fröhlichkeit. „Wie wäre es, wenn wir uns mal umsehen und ich dir von meinem Projekt erzähle?“ Sie war sich durchaus bewusst, dass er Camp Kioga vermutlich genauso gut kannte wie sie. „Wann warst du das letzte Mal hier?“
„Ich komme niemals hierher. Wieso sollte ich?“
Sie nahm an, dass das eine rhetorische Frage war, die keiner Antwort bedurfte. Schnell ging sie voran zur Terrasse am Speisesaal, die sich über den See hinausschob. Die verwitterten Holzstufen knarrten, und das Geländer fühlte sich so wacklig an wie ein loser Zahn. Connor holte ein kleines Notizbuch aus seiner hinteren Hosentasche und machte sich ein paar Notizen. Als sie das Deck erreichten, beschattete Olivia ihre Augen mit einer Hand und hielt nach Freddy und Barkis Ausschau, konnte aber keinen von beiden entdecken. Sie drehte sich zu Connor um und bemerkte erstaunt, wie unverfroren er sie musterte.
„Du starrst mich an“, sagte sie und konnte fühlen, wie sein Blick über ihren Körper glitt. Sie versuchte, das Kribbeln, das er dabei hinterließ, zu ignorieren.
„Ja“, sagte er nur und lehnte sich lässig gegen das Geländer. „Das tue ich.“
Wenigstens gab er es zu. „Lass es lieber“, sagte sie.
„Warum?“
Sie verschränkte die Arme. „Weil ich mich dann unwohl fühle.“
„Wenn die Blicke eines Mannes dich unwohl fühlen lassen, muss es dir ja ganz schön oft schlecht gehen.“
Diese Bemerkung sollte sie vermutlich als Kompliment auffassen, aber seltsamerweise fühlte sie sich überhaupt nicht geschmeichelt. Sie wusste, dass er überlegte, wie zum Teufel aus dieser fetten Kuh, die niemand hatte leiden können, so jemand wie sie geworden war.
„Was hast du vor?“, wollte er wissen.
„Ich bin hier, um das Camp wieder instand zu setzen. Meine Großeltern wollen ihren fünfzigsten Hochzeitstag hier feiern.“ Sie deutete auf den See. „Sie haben auf der Insel geheiratet, unter einem Pavillon, den es heute nicht mehr gibt. Ich habe Zeit bis August, um diesen Ort so herzurichten, dass er hundert Gäste aufnehmen kann.“
„Ich kann ihnen nicht verdenken, dass sie diesen Tag groß feiern wollen. Wer ist heutzutage schon noch fünfzig Jahre verheiratet?“
Diese Bemerkung ließ Olivia sehnsüchtig werden. Es war selten, dass sich zwei Menschen über einen so langen Zeitraum liebten. Und er hatte recht, das verdiente eine Feier. Von ihrem momentanen Platz im Leben
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