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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schlimmer machen können.«
    »Wollen Sie Ihrer Schwester, wenn sie wieder gesund ist, wiederholen, was ich Ihnen erzählt habe? Lassen Sie mich auch in Mariannes Meinung, wie in der Ihren, etwas weniger schuldig erscheinen. Sie sagten mir, daß sie mir schon verziehen hat. Lassen Sie mich daran glauben, daß eine bessere Kenntnis meines Herzens und meiner jetzigen Gefühle ein ungezwungeneres, natürlicheres, sanfteres, weniger würdevolles Verzeihen bei ihr hervorrufen wird. Erzählen Sie ihr von meinem Elend und meiner Reue, sagen Sie ihr, daß mein Herz ihr niemals untreu war, und wenn Sie es wollen, daß sie mir in diesem Augenblick teurer ist als jemals zuvor.«
    |358| »Ich werde ihr alles erzählen, was zu Ihrer Rechtfertigung – soweit man es so nennen kann – notwendig ist. Aber Sie haben mir nicht den besonderen Grund dafür genannt, daß Sie gerade jetzt gekommen sind, und auch nicht, wie Sie von ihrer Krankheit erfahren haben.«
    »Ich traf gestern abend zufällig John Middleton im Foyer des Drury Lane Theaters, und als er mich bemerkte, sprach er mich (zum ersten Mal in diesen zwei Monaten) an. Daß er mich seit meiner Heirat schnitt, hatte ich ohne Überraschung oder Groll zur Kenntnis genommen. Doch nun konnte seine gutmütige, ehrliche, einfältige Seele, voller Empörung über mich und Sorge um Ihre Schwester, nicht der Versuchung widerstehen, mir zu erzählen, was er für notwendig hielt, obgleich er wahrscheinlich nicht ahnte, daß es mich schrecklich niederdrücken würde. So schonungslos, wie es ihm möglich war, erzählte er mir deshalb, daß Marianne Dashwood in Cleveland an Diphterie im Sterben liege – ein Brief, den er am Morgen von Mrs.   Jennings erhalten habe, besage, daß sie in höchster Gefahr schwebe – die Palmers seien vor Angst alle abgereist, und so weiter. Ich war zu sehr bestürzt, um gleichgültig erscheinen zu können, selbst gegenüber dem unkritischen Sir John. Er wurde milder gestimmt, als er sah, wie es mich traf; und als wir uns trennten, war soviel von seinem Groll verflogen, daß er mir fast die Hände schüttelte, während er mich an ein altes Versprechen wegen eines Pointerwelpen erinnerte. Was ich empfand, als ich hörte, daß Ihre Schwester im Sterben lag – und sterben würde in dem Glauben, daß ich der größte Schurke auf Erden sei, daß sie mich in ihren letzten Augenblicken verachten und hassen würde – denn wie konnte ich wissen, was für schreckliche Pläne mir nicht sonst noch angelastet worden sein mochten? –
Eine
Person würde mich ganz sicher zu allem imstande erklären. Was ich empfand, war schrecklich! Mein Entschluß war bald gefaßt, und um acht Uhr heute früh war ich in meiner Kutsche. Nun wissen Sie alles.«
    Elinor gab keine Antwort. Ihre Gedanken waren im stillen auf den nicht wiedergutzumachenden Schaden gerichtet, den |359| eine zu frühe Unabhängigkeit und die sich daraus ergebenden Gewohnheiten des Müßiggangs, der Zerstreuung und des Wohllebens an Denken und Fühlen, Charakter und Glück eines Mannes angerichtet hatten, der mit allen Vorzügen eines schönen Äußeren und vortrefflicher Gaben eine von Natur aus offenherzige und aufrichtige Veranlagung und ein gefühlvolles, liebevolles Wesen verband. Die Welt hatte ihn verschwenderisch und eitel gemacht; Verschwendungssucht und Eitelkeit hatten ihn kaltherzig und selbstsüchtig werden lassen; Eitelkeit hatte ihn, während er deren schuldhaften Triumph auf Kosten einer anderen suchte, schließlich in eine echte Liebe verstrickt, die der Verschwendungssucht – oder zumindest deren Ergebnis, der finanziellen Zwangslage – geopfert werden mußte. Im Gefolge jeder tadelnswerten Neigung war er, indem sie ihn zur Sünde verleitet hatte, auch gestraft worden. Die Liebe, von der er sich gegen seine Ehre, seine Gefühle, gegen jedes bessere Wissen äußerlich fortgerissen hatte, beherrschte nun, da sie nicht mehr zulässig war, jeden seiner Gedanken; und die Verbindung, um derentwillen er ohne viel Skrupel ihre Schwester unglücklich gemacht hatte, erwies sich nun vermutlich für ihn selbst als eine Quelle viel weniger gutzumachenden Elends. Aus diesen Gedanken wurde sie nach einigen Minuten von Willoughby herausgerissen, der, sich aus gleichermaßen schmerzlichen Gedanken reißend, aufsprang und sich zum Gehen anschickte. Er sagte: »Es hat keinen Sinn, noch zu bleiben, ich muß fort.«
    »Fahren Sie in die Stadt zurück?«
    »Nein, nach Combe Magna. Ich habe dort zu tun; von dort in

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