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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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vollbringen; Mariannes Herz soll nicht für immer an einen Mann wie Willoughby verschwendet sein. Seine eigenen Vorzüge werden es bald gewinnen.«
    »Doch nach der Stimmung des Colonels zu urteilen, hast du ihn noch nicht ebenso zuversichtlich gemacht.«
    »Nein. Er glaubt, daß Mariannes Liebe zu tief wurzelt, als daß sich daran vor Ablauf einer sehr langen Zeit etwas ändern könnte; und selbst angenommen, ihr Herz wäre wieder frei, denkt er zu bescheiden von sich selbst, um zu glauben, daß er sie bei einem solchen Unterschied in Alter und Veranlagung jemals für sich einnehmen könnte. Doch da irrt er sich sehr. Die Jahre, die er älter ist als sie, können nur von Vorteil sein, da sie seinem Charakter und seinen Grundsätzen Festigkeit verliehen haben; und was sein ganzes Wesen betrifft, so bin ich vollkommen überzeugt, daß es genau von |367| der Art ist, die deine Schwester glücklich machen kann. Und auch seine Erscheinung, seine Umgangsformen, alles spricht für ihn. Meine Voreingenommenheit macht mich nicht blind, er ist gewiß nicht so gutaussehend wie Willoughby, aber andererseits liegt in seinem Gesichtsausdruck etwas viel Angenehmeres. Da gab es, wenn du dich erinnerst, manchmal etwas in Willoughbys Augen, das mir nicht gefiel.«
    Elinor konnte sich
nicht
erinnern, aber ihre Mutter fuhr, ohne auf ihre Zustimmung zu warten, fort: »Und seine Umgangsformen – die Umgangsformen des Colonels – sind für mich nicht nur viel angenehmer, als es Willoughbys jemals gewesen sind, sondern sie sind auch von einer Art, von der ich sehr wohl weiß, daß Marianne sie auf die Dauer als viel einnehmender empfinden wird. Seine sanfte Art, seine echte Aufmerksamkeit anderen Menschen gegenüber, seine männliche, ungesuchte Einfachheit entsprechen viel mehr ihrer wahren Veranlagung als die oft unechte oder unpassende Lebhaftigkeit des anderen. Ich bin mir ganz sicher, daß Marianne, hätte Willoughby sich als wirklich liebenswert erwiesen und nicht, wie es sich herausgestellt hat, als das völlige Gegenteil, doch niemals so glücklich mit ihm geworden wäre, wie sie es mit Colonel Brandon sein wird.«
    Sie hielt inne. Ihre Tochter konnte ihr nicht ganz zustimmen, aber ihre Meinung blieb ungehört und erregte somit keinen Anstoß.
    »In Delaford wird sie nicht weit von mir entfernt sein«, fügte Mrs.   Dashwood hinzu, »selbst wenn ich in Barton bleibe; und aller Wahrscheinlichkeit nach – denn ich habe gehört, es ist ein großes Dorf – muß es doch dort ein kleines Haus oder ein Landhaus in der Nähe geben, das sich ebenso für uns eignen würde wie unsere gegenwärtige Wohnung.«
    Arme Elinor! Hier gab es einen neuen Plan für sie, nach Delaford geschickt zu werden! Aber sie nahm es gelassen.
    »Und dann sein Vermögen! Denn, weißt du, in meinem Alter sorgt sich jeder darum; und obgleich ich weder weiß |368| noch wissen möchte, wie groß es wirklich ist, so ist es doch gewiß beträchtlich.«
    Hier wurden sie durch das Eintreten einer dritten Person unterbrochen, und Elinor zog sich zurück, um für sich allein alles zu überdenken, ihrem Freund Erfolg zu wünschen und doch, während sie es ihm wünschte, einen Stich im Herzen zu fühlen, wenn sie an Willoughby dachte.

|369| Kapitel 46
    Mariannes Krankheit hatte, obgleich sie an sich sehr schwächend war, nicht so lange angedauert, daß sie eine langsame Genesung zur Folge gehabt hätte; und bei ihrer Jugend, ihrer guten Konstitution und mit Hilfe der Gegenwart ihrer Mutter ging es damit ohne Schwierigkeiten voran, so daß es ihr möglich war, vier Tage nach der Ankunft Mrs.   Dashwoods in Mrs.   Palmers Ankleidezimmer überzusiedeln. Sobald sie dort war, wurde Colonel Brandon auf ihre besondere Bitte hin gebeten, zu ihr zu gehen, denn sie brannte darauf, ihm dafür zu danken, daß er ihre Mutter herbeigeholt hatte.
    Seine tiefe Ergriffenheit, als er das Zimmer betrat, ihr so verändertes Aussehen wahrnahm und ihre blasse Hand ergriff, die sie ihm sofort entgegenstreckte, war von einer Art, die, wie Elinor vermutete, von etwas mehr herrühren mußte als nur von seiner Liebe zu Marianne oder dem Bewußtsein, daß diese Tatsache auch anderen klar war; und sie entdeckte bald in seinem traurigen Blick und seiner wechselnden Gesichtsfarbe, während er ihre Schwester ansah, daß vermutlich viele Szenen des Elends aus der Vergangenheit in seinen Gedanken wiederkehrten, die durch jene von ihm schon einmal erklärte Ähnlichkeit zwischen Marianne und Eliza

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