Verstand und Gefühl
hervorgerufen wurden – eine Ähnlichkeit, die nun noch verstärkt wurde durch ihre tiefliegenden Augen, ihre kränkliche Hautfarbe, die Schwäche, die sich in ihrer Haltung ausdrückte, und das warme Bekenntnis ihres besonderen Dankes.
Mrs. Dashwood, die all dies nicht weniger aufmerksam beobachtete als ihre Tochter, die jedoch ganz andere Dinge bewegten und die daher etwas ganz anderes wahrnahm, sah im Verhalten des Colonels allein das, was den einfachsten und |370| selbstverständlichsten Gefühlen entsprang, während sie sich zugleich einredete, daß in den Handlungen und Worten Mariannes bereits mehr als nur Dankbarkeit heraufdämmerte.
Nach ein paar weiteren Tagen, während deren Marianne von einem Tag zum anderen sichtlich kräftiger geworden war, begann Mrs. Dashwood, gleichermaßen gedrängt von ihren eigenen Wünschen wie von denen ihrer Tochter, von ihrer Rückkehr nach Barton zu sprechen. Von ihren Schritten hingen auch diejenigen ihrer beiden Freunde ab; Mrs. Jennings konnte Cleveland nicht verlassen, solange die Dashwoods dort blieben, und Colonel Brandon wurde durch ihre vereinte Bitte bewogen, seinen eigenen Aufenthalt dort ebenso festzulegen, wenngleich er nicht ebenso unerläßlich war. Und auf seine und Mrs. Jennings vereinte Bitten hin wurde Mrs. Dashwood wiederum dazu gebracht, zur größeren Bequemlichkeit für ihre kranke Tochter das Angebot des Colonels anzunehmen, in seiner Kutsche ihre Rückreise anzutreten; und auf die gemeinsame Einladung Mrs. Dashwoods und auch Mrs. Jennings hin, die in ihrer rührigen Gutherzigkeit nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Leute wohlwollend und gastfreundlich war, verpflichtete sich der Colonel mit Vergnügen, sich in ein paar Wochen durch einen Besuch in Barton Cottage dafür zu entschädigen.
Der Tag der Trennung und der Abreise kam heran; nachdem sich Marianne ganz besonders und ausführlich von Mrs. Jennings verabschiedet hatte – mit so aufrichtigen Dankesworten, so voller Achtung und freundlicher Wünsche, wie sie es aus einem heimlichen Eingeständnis ihrer früheren mangelnden Aufmerksamkeit heraus ihrem eigenen Herzen zu schulden schien – und sie Colonel Brandon mit der Herzlichkeit einer Freundin Lebewohl gesagt hatte, half ihr dieser sorgsam in die Kutsche und schien ängstlich darauf bedacht, daß sie zumindest die Hälfte des Platzes für sich bekam. Mrs. Dashwood und Elinor stiegen nach ihr ein, und die anderen blieben allein zurück, sprachen über die Reisenden und fühlten, wie lustlos sie geworden waren, bis Mrs. Jennings zu ihrer Kutsche gerufen wurde und sie sich mit dem Klatsch |371| ihrer Zofe über den Verlust ihrer beiden jungen Gefährtinnen hinwegtröstete; und Colonel Brandon machte sich gleich danach auf seinen einsamen Weg nach Delaford.
Die Dashwoods waren zwei Tage unterwegs, und Marianne ertrug die Reise an beiden Tagen ohne wesentliche Ermüdung. Alles, was die hingebungsvollste Liebe, die besorgteste Aufmerksamkeit tun konnten, um ihr die Reise angenehm und bequem zu machen, hatten sich ihre wachsamen Begleiterinnen zur Aufgabe gemacht, und jede fand ihre Belohnung in Mariannes körperlichem Wohlbefinden und ruhigem Gemütszustand. Elinor machte es besonders dankbar, dies bei ihrer Schwester beobachten zu können. Sie – die Marianne Woche für Woche so andauernd hatte leiden sehen, niedergedrückt von ihren Herzensqualen, über die zu sprechen sie in der Zeit nicht den Mut hatte, die zu verbergen sie aber auch nicht die Kraft fand – sah nun mit einer Freude, die niemand anders in gleichem Maße mit ihr teilen konnte, Mariannes offensichtliche innere Gefaßtheit. Und diese Gefaßtheit würde ihr schließlich Zufriedenheit und Heiterkeit bringen, da sie, worauf Elinor vertraute, das Ergebnis ernsten Nachdenkens war.
Als sie sich nun Barton näherten und zu Schauplätzen gelangten, wo jedes Feld, jeder Baum eine besondere, schmerzliche Erinnerung hervorrief, wurde sie still und nachdenklich; und während sie sich von ihnen abwandte, blickte sie angelegentlich aus dem Fenster. Doch darüber konnte sich Elinor nicht wundern und sie auch nicht dafür tadeln; und als sie Marianne aus der Kutsche half und bemerkte, daß sie geweint hatte, sah sie darin nur eine Gemütsbewegung, die an sich zu natürlich war, als daß sie etwas weniger zartes als Mitleid hervorrufen könnte, und die in ihrer Zurückhaltung Lob verdiente. In ihrem ganzen folgenden Verhalten zeigte Marianne,
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