Verstand und Gefühl
der Ursprung für alle geringeren gewesen und für seine ganze gegenwärtige Unzufriedenheit.«
Marianne stimmte ihr sehr lebhaft zu; und ihre Mutter wurde dadurch veranlaßt, alles Unrecht, das Colonel Brandon erlitten hatte, wie auch seine Verdienste mit so warmen Worten aufzuzählen, wie es ihr Freundschaft und Vorsatz vereint |383| eingeben konnten. Ihre Tochter machte jedoch nicht den Eindruck, als hätte sie viel davon wahrgenommen.
Wie sie es erwartet hatte, sah Elinor, daß Mariannes Kräfte in den darauffolgenden Tagen nicht weiter in dem Maße zunahmen wie zuvor; doch während ihre Entschlossenheit nicht nachgelassen hatte und sie weiterhin versuchte, heiter und unbeschwert zu sein, konnte ihre Schwester unbesorgt darauf vertrauen, daß die Zeit ein übriges für ihre Gesundheit tun würde.
Nun kehrte auch Margaret zurück, und sie waren alle einander wiedergegeben und nahmen ihr früheres ruhiges Leben in Barton Cottage wie gewohnt wieder auf; und wenn sie ihren gewöhnlichen ernsthaften Beschäftigungen auch nicht mit ganz soviel Energie nachgingen wie nach ihrem Einzug in Barton, so planten sie doch, diese in Zukunft wieder ganz entschieden zu betreiben.
Elinor wartete ungeduldig auf Kunde von Edward. Sie hatte, seit sie aus London fort waren, nichts Neues über seine Pläne gehört, nicht einmal etwas Sicheres über seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort. Zwischen ihr und ihrem Bruder waren aufgrund von Mariannes Krankheit einige Briefe hin und her gegangen; und in Johns erstem Brief hatte der Satz gestanden: ›Wir wissen nichts über unseren unglücklichen Edward und können uns, heikel wie die Angelegenheit nun einmal ist, auch nicht danach erkundigen, doch wir nehmen an, daß er immer noch in Oxford ist‹; und das waren die ganzen Informationen über Edward, die ihr der Briefwechsel gebracht hatte, denn in keinem der nachfolgenden Briefe war sein Name jemals erwähnt worden. Sie war jedoch nicht verurteilt, lange in Unwissenheit über seine Schritte zu bleiben.
Ihr Diener war eines Morgens in Geschäften nach Exeter geschickt worden; und als er, während er bei Tisch bediente, die Fragen seiner Herrin zu seinem Auftrag beantwortet hatte, setzte er von sich aus noch hinzu: »Ich nehme an, Ma’am, Sie wissen, daß Mr. Ferrars geheiratet hat?«
Marianne fuhr heftig zusammen, warf einen Blick auf Elinor, sah sie blaß werden und fiel in einem hysterischen Anfall |384| zurück in ihren Stuhl. Mrs. Dashwood, deren Blick, während sie die Frage des Dieners beantwortete, intuitiv in die gleiche Richtung gegangen war, sah mit Entsetzen an Elinors Gesicht, wie sehr sie tatsächlich litt; und da sie ebenso über Mariannes Zustand beunruhigt war, wußte sie bald nicht mehr, welchem ihrer Kinder sie ihre Hauptaufmerksamkeit schenken sollte.
Der Diener, der nur sah, daß es Marianne plötzlich nicht gutging, besaß die Geistesgegenwart, eines der Mädchen zu rufen, das sie mit Mrs. Dashwoods Hilfe stützte und in das andere Zimmer brachte. Inzwischen ging es Marianne schon wieder besser, so überließ ihre Mutter sie der Fürsorge Margarets und des Mädchens und ging zu Elinor zurück, die zwar noch immer ganz durcheinander war, aber ihr Denkvermögen und ihre Stimme so weit wiedergewonnen hatte, daß sie gerade begann, Thomas nach der Quelle seiner Information zu befragen. Mrs. Dashwood übernahm diese Mühe sogleich selbst, und Elinor bekam nun die Informationen, ohne die Fragen selbst stellen zu müssen.
»Wer hat dir erzählt, daß Mr. Ferrars geheiratet hat, Thomas?«
»Ich hab Mr. Ferrars heute selbst gesehn in Exeter, Ma’am, und seine Gattin auch, die frühere Miss Steele. Sie hielten mit ihrer Kutsche vor dem New London Inn, wo ich mit einer Nachricht von Sally von Barton Park an ihren Bruder hingegangen war, der dort Botenjunge ist. Ich hab zufällig hochgeguckt, als ich an der Kutsche vorbeikam, und ich hab gleich gesehn, daß es die jüngere Miss Steele war; da hab ich dann meinen Hut gezogen, und sie hat mich erkannt und hat mich gerufen; und sie hat sich nach Ihnen, Ma’am, erkundigt, und nach den jungen Damen, besonders nach Miss Marianne, und hat mich gebeten, von ihr und Mr. Ferrars Grüße zu bestellen, ihre besten Grüße und Empfehlungen, und daß es ihnen leid täte, daß sie keine Zeit hätten, Sie zu besuchen – aber sie hätten es sehr eilig, weiterzukommen, denn sie wollten da unten noch ein Weilchen bleiben, aber auf ihrem Rückweg würden sie bestimmt
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