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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sehen.«
    »Obgleich du mit deiner üblichen Besorgnis für unser Glück«, sagte Elinor, »alle Hindernisse für unseren augenblicklichen Plan ausgeräumt hast, die dir in den Sinn gekommen sind, gibt es immer noch einen Einwand, der meiner Meinung nach nicht aus der Welt zu schaffen ist.«
    Marianne machte ein enttäuschtes Gesicht.
    »Und woran«, sagte Mrs.   Dashwood, »denkt meine liebe umsichtige Elinor dabei? Welches schreckliche Hindernis will sie nun vorbringen? Laß mich kein Wort über die Ausgaben hören.«
    »Mein Einwand ist der: Obgleich ich weiß, daß Mrs.   Jennings ein sehr gutes Herz hat, ist sie keine Frau, deren Gesellschaft uns Vergnügen bereiten und deren Protektion uns Ansehen verschaffen kann.«
    »Das ist sehr richtig«, erwiderte ihre Mutter, »aber in ihrer Gesellschaft werdet ihr kaum einmal sein, ohne daß andere Leute dabei sind, und in der Öffentlichkeit werdet ihr fast immer mit Lady Middleton erscheinen.«
    |170| »Wenn Elinor durch ihre Abneigung gegen Mrs.   Jennings abgeschreckt wird«, sagte Marianne, »muß das zumindest mich nicht daran hindern, ihre Einladung anzunehmen. Ich habe solche Bedenken nicht, und ich könnte mich bestimmt mit jeder Unannehmlichkeit dieser Art ohne große Mühe abfinden.«
    Elinor mußte lächeln bei dieser Zurschaustellung von Gleichgültigkeit gegenüber den Manieren einer Frau, zu der leidlich höflich zu sein sie Marianne oft nur mit Schwierigkeiten überzeugen konnte; und sie beschloß im Innern, ihre Schwester nach London zu begleiten, wenn diese darauf beharrte; denn sie hielt es nicht für richtig, sie der alleinigen Führung ihres eigenen Urteilsvermögens zu überlassen, und auch nicht, daß Mrs.   Jennings für die Behaglichkeit ihrer häuslichen Stunden der Gnade Mariannes preisgegeben sein sollte. Mit diesem Entschluß fand sie sich um so leichter ab, als sie sich daran erinnerte, daß Edward Ferrars Lucys Bericht zufolge nicht vor Februar in der Stadt sein würde und ihr Besuch ohne eine unzumutbare Abkürzung vorher beendet sein mochte.
    »Ich möchte, daß ihr beide geht«, sagte Mrs.   Dashwood; »diese Einwände sind unsinnig. Ihr werdet viel Freude an London haben, und besonders wenn ihr zusammen dort seid; und wenn Elinor jemals geruhen wollte, Vergnügen zu erwarten, könnte sie es sich dort aus vielerlei Quellen vorstellen; sie könnte vielleicht darauf hoffen, die Familie ihrer Schwägerin näher kennenzulernen.«
    Elinor hatte oft eine Gelegenheit zu einem Versuch herbeigewünscht, das Vertrauen ihrer Mutter in die Liebe zwischen sich und Edward zu mindern, damit der Schock um so geringer sein würde, wenn die ganze Wahrheit offenbart werden konnte. Doch nun, auf diesen Angriff hin, zwang sie sich, obgleich fast ohne Hoffnung auf Erfolg, damit zu beginnen; und sie sagte so ruhig wie möglich: »Ich mag Edward sehr, und ich bin immer froh, ihn zu sehen, aber was die übrige Familie angeht, so ist es mir völlig gleichgültig, ob ich sie jemals kennenlerne oder nicht.«
    Mrs.   Dashwood lächelte und sagte nichts. Marianne sah erstaunt |171| auf, und Elinor meinte schließlich, daß sie auch ebensogut den Mund hätte halten können.
    Ohne noch viel darüber zu reden, wurde am Ende beschlossen, die Einladung vollständig anzunehmen. Mrs.   Jennings empfing diese Mitteilung mit großer Freude und vielen Versicherungen ihres Wohlwollens und ihrer Fürsorge; auch war es nicht nur für sie ein Vergnügen. Sir John war entzückt, denn für einen Menschen, dessen vorherrschende Sorge die Furcht davor war, allein zu sein, bedeutete es schon etwas, zu den Einwohnern von London noch zwei dazuzugewinnen. Selbst Lady Middleton machte sich die Mühe, entzückt zu sein, was für sie schon ziemlich ungewöhnlich war; und was die Misses Steele anging, besonders Lucy, so waren sie niemals in ihrem Leben so glücklich gewesen, wie diese Nachricht sie gemacht hatte.
    Elinor ergab sich in diese Abmachung, die ihren Wünschen so zuwiderlief, weniger widerstrebend, als sie erwartet hatte. Was sie selbst betraf, war es ihr jetzt gleichgültig, ob sie nach London ging oder nicht; und als sie sah, wie ihre Mutter so ganz und gar zufrieden mit dem Plan war und ihre Schwester in ihrem Aussehen, ihrer Stimme und ihrem ganzen Verhalten so auflebte, wie sie ihre alte Munterkeit wiedergewonnen hatte und sie noch fröhlicher geworden war als zuvor, konnte sie nicht unzufrieden sein mit der Ursache und gestattete sich kaum, den Folgen zu

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