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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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fragte sie ihn, ob er die ganze Zeit, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, in London gewesen sei. »Ja«, erwiderte er mit einiger Verlegenheit, »fast die ganze Zeit; ein paarmal war ich für einige Tage in Delaford, aber es ist mir nie möglich gewesen, nach Barton zurückzukommen.«
    Dies und die Art und Weise, in der er das sagte, brachten ihr wieder all die Umstände ins Gedächtnis zurück, unter denen er Barton verlassen hatte, und auch all die Unruhe und Vermutungen, die sie bei Mrs.   Jennings hervorgerufen hatten; und sie befürchtete, daß ihre Frage auf eine viel größere Neugier hindeuten könnte, als sie sie jemals empfunden hatte.
    Bald kam auch Mrs.   Jennings herein. »O Colonel!« sagte sie mit ihrer gewohnten lärmenden Heiterkeit, »ich bin mächtig froh, Sie zu sehen – ich konnte leider nicht eher kommen – verzeihen Sie, aber ich mußte mich erst ein wenig bei mir umsehen und meine Angelegenheiten in Ordnung bringen; ich bin schon ziemlich lange nicht mehr zu Hause gewesen, und Sie wissen, wenn man mal eine Zeitlang fort war, hat man immer eine Menge verschiedener kleiner Dinge zu tun; und dann mußte ich noch mit Cartwright abrechnen. Du lieber Himmel, ich war beschäftigt wie eine Biene seit dem Dinner! Aber, sagen Sie, Colonel, wie haben Sie herausgefunden, daß ich heute in der Stadt bin?«
    »Ich hatte die Freude, es bei Mr.   Palmer zu erfahren, wo ich zum Dinner war.«
    »Aha; nun, und wie geht es ihnen allen dort? Wie geht es Charlotte? Ich wette, sie hat jetzt einen ganz schönen Umfang.«
    »Mrs.   Palmer schien es recht gutzugehen, und ich habe den Auftrag, Ihnen zu sagen, daß sie bestimmt morgen kommen wird.«
    »Ja, das dachte ich mir schon. Nun, Colonel, ich habe zwei junge Damen mitgebracht, sehen Sie – das heißt, Sie sehen |177| jetzt nur eine von ihnen, aber da ist irgendwo noch eine zweite. Und das ist Ihre Freundin Miss Marianne, was Sie sicher nicht ungern hören. Ich weiß nicht, wie Sie und Mr.   Willoughby sich ihretwegen untereinander einigen wollen. Ja, es ist eine feine Sache, jung und hübsch zu sein. Na ja, ich war auch einmal jung, aber ich war nie sehr hübsch – Pech für mich. Doch ich habe einen sehr guten Mann bekommen, und ich weiß nicht, was die größte Schönheit mehr ausrichten kann. Ach, der Arme! Er ist jetzt schon mehr als acht Jahre tot. Aber, Colonel, wo sind Sie denn gewesen, seit Sie uns verlassen haben? Und wie steht’s mit Ihren Geschäften? Kommen Sie schon, lassen Sie uns keine Geheimnisse unter Freunden haben.«
    Er antwortete mit seiner gewohnten Sanftmut auf alle ihre Fragen, doch ohne sie bei irgendeiner zu befriedigen. Elinor begann nun, den Tee zu bereiten, und Marianne war genötigt, wieder zu erscheinen.
    Nachdem sie hereingekommen war, wurde Colonel Brandon noch nachdenklicher und schweigsamer als vorher, und Mrs.   Jennings konnte ihn nicht dazu bewegen, lange zu bleiben. An diesem Abend kam kein weiterer Besucher, und die Damen beschlossen einmütig, zeitig zu Bett zu gehen.
    Marianne erhob sich am nächsten Morgen mit wiedererlangter guter Laune und einem glücklichen Aussehen. Die Enttäuschung vom Abend zuvor schien verflogen in der Erwartung dessen, was dieser Tag bringen würde. Sie hatten noch nicht lange ihr Frühstück beendet, als Mrs.   Palmers Landauer an der Tür hielt; und in wenigen Minuten kam sie lachend zu ihnen herein – und sie war so entzückt, sie alle zu sehen, daß es schwer war zu sagen, ob sie mehr Freude daran hatte, ihre Mutter wiederzusehen oder die Misses Dashwood. Und sie war so überrascht, daß sie in die Stadt gekommen waren, obgleich sie das doch eigentlich die ganze Zeit erwartet hatte, und so böse, daß sie der Einladung ihrer Mutter gefolgt waren, nachdem sie die ihre abgelehnt hatten, obwohl sie es ihnen gleichzeitig nie verziehen hätte, wenn sie nicht gekommen wären!
    |178| »Mr.   Palmer wird so glücklich sein, sie zu sehen«, sagte sie; »was meinen Sie, was er gesagt hat, als er hörte, daß Sie mit Mama herkommen würden? Ich hab jetzt vergessen, was es war, aber es war etwas so Komisches!«
    Nachdem man ein paar Stunden mit einem gemütlichen Plausch verbracht hatte, wie ihre Mutter es nannte, oder, besser gesagt, mit vielerlei Erkundigungen nach all ihren Bekannten auf seiten Mrs.   Jennings’ und mit grundlosem Gelächter auf seiten Mrs.   Palmers, schlug die letztere allen vor, sie zu einigen Geschäften zu begleiten, in denen sie an diesem Vormittag

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