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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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seinen Zweifeln bestärken   –, wenn ich nicht, als mich der Diener heute einließ, zufällig den Brief in seiner Hand gesehen hätte, der in der Handschrift Ihrer Schwester an Mr.   Willoughby gerichtet war. Ich war gekommen, um mich danach zu erkundigen, doch ich war bereits überzeugt, ehe ich noch die Frage stellen konnte. Ist alles endgültig entschieden? Ist es unmöglich, noch etwas zu   ...? Aber ich habe kein Recht, und ich hätte auch keine Chance auf Erfolg. – Verzeihen Sie, Miss Dashwood. Ich glaube, es war unrecht von mir, so viel zu sagen, aber ich weiß kaum, was ich tun soll, und in Ihre Klugheit habe ich das größte Vertrauen. Sagen Sie mir, daß alles unwiderruflich beschlossen ist, daß jeder Versuch – daß, kurz gesagt, Geheimhaltung – falls Geheimhaltung möglich ist – alles ist, was bleibt.«
    Diese Worte, die Elinor als ein direktes Bekenntnis seiner Liebe zu ihrer Schwester sah, berührten sie sehr. Sie war nicht sofort imstande, etwas zu sagen, und selbst als sie sich wieder gefaßt hatte, ging sie ein Weilchen mit sich zu Rate, was sie am besten darauf antworten sollte. Von dem wirklichen Stand der Dinge zwischen Willoughby und ihrer Schwester wußte sie selbst so wenig, daß sie bei dem Versuch, es zu erklären, ebenso leicht zuviel wie zuwenig sagen konnte. Doch da sie überzeugt war, daß Mariannes Liebe zu Willoughby für Colonel Brandon keine Hoffnung auf Erfolg zuließ, wie immer diese Liebe auch ausgehen würde, und sie das Verhalten ihrer Schwester gleichzeitig vor Tadel bewahren wollte, hielt sie es nach einiger Überlegung für am klügsten und freundlichsten, mehr zu sagen, als sie wirklich wußte oder glaubte. Sie bestätigte deshalb, daß sie – obgleich sie von den beiden niemals über die Beziehung, in der sie zueinander standen, informiert worden war – keinen Zweifel an ihrer gegenseitigen Zuneigung habe und daß sie nicht überrascht sei, von ihrem Briefwechsel zu hören.
    |189| Er hörte ihr schweigend und aufmerksam zu, und als sie zu Ende war, stand er sofort auf, sagte mit bewegter Stimme: »Ihrer Schwester wünsche ich alles erdenkliche Glück und Willoughby, daß er sich bemühen möge, sie zu verdienen«, verabschiedete sich und ging.
    Dieses Gespräch hinterließ bei Elinor keine angenehmen Gefühle, die ihr Unbehagen über andere Dinge womöglich hätten verringern können; ihr blieb im Gegenteil der traurige Eindruck von Colonel Brandons unglücklicher Lage; und sie konnte wegen ihrer bangen Erwartung gerade des Ereignisses, das sein Elend endgültig bestätigen mußte, nicht einmal wünschen, daß sich daran etwas ändern würde.

|190| Kapitel 28
    Während der nächsten drei bis vier Tage geschah nichts, was Elinor hätte bedauern lassen, daß sie sich an ihre Mutter gewandt hatte, denn Willoughby kam nicht und schrieb auch nicht. Nach etwa dieser Zeit waren sie eingeladen, Lady Middleton zu einer Gesellschaft zu begleiten, von der Mrs.   Jennings wegen Unpäßlichkeit ihrer jüngeren Tochter fernbleiben mußte. Zu dieser Gesellschaft machte sich Marianne fertig – völlig entmutigt, ohne Interesse an ihrem Aussehen, offenbar ebenso gleichgültig dagegen, ob sie hinging oder zu Hause blieb, und ohne einen einzigen hoffnungsvollen Blick oder Ausdruck der Freude. Sie saß nach dem Tee bis zu dem Augenblick, als Lady Middleton erschien, beim Kaminfeuer des Salons, ohne sich einmal vom Platz zu bewegen oder ihre Haltung zu ändern, versunken in ihre eigenen Gedanken, und ohne sich der Anwesenheit ihrer Schwester bewußt zu sein; und als ihnen gemeldet wurde, daß Lady Middleton an der Tür auf sie warte, schreckte sie hoch, als hätte sie vergessen, daß sie jemand erwarteten.
    Sie waren pünktlich an ihrem Ziel, und sobald es die Reihe der Kutschen zuließ, stiegen sie aus, gingen die Treppe hinauf, hörten, wie ihre Namen von einem Treppenabsatz zum anderen mit lauter Stimme ausgerufen wurden, und betraten einen prächtig erleuchteten Raum, in dem sich sehr viele Gäste drängten und der unerträglich heiß war. Nachdem sie ihre Höflichkeitsbezeigungen mit einem Knicks gegenüber der Dame des Hauses absolviert hatten, durften sie sich unter die Menge mischen und an der Hitze und Unbequemlichkeit teilhaben, wozu ihre Ankunft zwangsläufig noch beitragen mußte. Nach einiger Zeit, die sie damit verbracht hatten, wenig |191| zu sagen und noch weniger zu tun, setzte sich Lady Middleton zum Kasino an den Spieltisch, und da Marianne nicht in der

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