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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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fest.«
    Das war ein glücklicher Gedanke, ihre ganze gute Laune war damit wiederhergestellt. »Es ist wirklich ein wunderbares Wetter für sie«, fuhr sie fort, während sie sich mit einem glücklichen Gesicht an den Frühstückstisch setzte. »Wie sie es genießen müssen! Aber« (mit ein wenig erneuter Besorgnis), »es ist nicht zu erwarten, daß es lange anhält. Zu dieser Jahreszeit und nach so vielen Regentagen werden wir gewiß nur noch sehr wenig davon haben. Bald wird der Frost einsetzen, und sehr wahrscheinlich wird er streng werden. Vielleicht noch ein paar Tage, dieses außerordentlich milde Wetter kann kaum länger anhalten – ja, vielleicht friert es sogar schon heute nacht!«
    »Auf jeden Fall«, sagte Elinor, die verhindern wollte, daß Mrs.   Jennings ebenso deutlich wie sie selbst die Gedanken ihrer Schwester erriet, »glaube ich bestimmt, daß wir Sir John und Lady Middleton Ende nächster Woche hierhaben werden.«
    »Jawohl, meine Liebe, ich wette, das werden wir. Mary setzt immer ihren Willen durch.«
    |182| ›Und jetzt‹, vermutete Elinor still für sich, ›wird sie noch mit der heutigen Post nach Combe schreiben.‹
    Doch wenn sie es tat, dann wurde der Brief in einer Heimlichkeit geschrieben und abgesandt, die es Elinor trotz all ihrer Wachsamkeit nicht möglich machte, sich dessen zu versichern. Wie es sich auch immer wirklich verhalten mochte und wie weit Elinor auch davon entfernt war, wirkliche Befriedigung darüber zu empfinden, so konnte sie doch selbst nicht so sehr beunruhigt sein, solange sie Marianne in guter Laune sah. Und Marianne war in guter Stimmung, glücklich bei dem milden Wetter und noch glücklicher in der Erwartung des Frosts.
    Der Vormittag wurde in der Hauptsache damit verbracht, in den Häusern von Mrs.   Jennings’ Bekannten Visitenkarten abzugeben, um sie davon in Kenntnis zu setzen, daß sie in der Stadt war; und Marianne war die ganze Zeit damit beschäftigt, die Windrichtung zu verfolgen, Veränderungen am Himmel zu beobachten und sich einzubilden, die Luft sei anders geworden.
    »Findest du es nicht auch kälter, als es am Morgen war, Elinor? Mir scheint, da ist ein ganz deutlicher Temperaturunterschied. Ich kann kaum meine Hände in meinem Muff warm halten. Ich glaube, gestern war es noch nicht so. Die Wolken scheinen sich auch zu teilen, jeden Augenblick wird die Sonne herauskommen, und wir haben einen klaren Nachmittag.«
    Elinor war abwechselnd belustigt und schmerzlich berührt; doch Marianne fuhr unbeirrt mit solchen Betrachtungen fort und sah jeden Abend in der Helligkeit des Feuers und jeden Morgen am Aussehen des Himmels sichere Zeichen für den nahenden Frost.
    Die Misses Dashwood hatten ebensowenig Grund, mit Mrs.   Jennings’ Lebensstil und ihrem Bekanntenkreis unzufrieden zu sein wie mit ihrem Verhalten ihnen gegenüber, das gleichbleibend freundlich war. In ihrem Haushalt ging alles völlig zwanglos zu, und außer ein paar alten Freundinnen aus der Stadt, die sie, zu Lady Middletons Bedauern, nie fallengelassen |183| hatte, besuchte sie niemand, denen vorgestellt zu werden in irgendeiner Weise die Gefühle ihrer jungen Gäste verletzen konnte. Da sich Elinor in dieser Hinsicht in einer angenehmeren Lage sah, als sie erwartet hatte, war sie durchaus bereit, sich mit dem Mangel an mehr wirklichem Vergnügen bei all den Abendgesellschaften abzufinden, die – ob zu Hause oder bei anderen – nur zum Kartenspielen gedacht waren und wenig bieten konnten, um sie zu unterhalten.
    Colonel Brandon, der jederzeit im Hause willkommen war, kam fast jeden Tag zu ihnen; er kam, um Marianne anzusehen und mit Elinor zu sprechen, die oft mehr Vergnügen an der Unterhaltung mit ihm fand als an irgendwelchen anderen Ereignissen des Tages – die aber auch gleichzeitig mit großer Besorgnis seine anhaltende Zuneigung zu ihrer Schwester sah. Sie fürchtete sogar, daß diese Zuneigung immer stärker wurde. Es bekümmerte sie zu sehen, mit welcher Ernsthaftigkeit er Marianne oft beobachtete, und seine Stimmung war zweifellos schlechter als in Barton.
    Etwa eine Woche nach ihrer Ankunft in London wurde es zur Gewißheit, daß Willoughby ebenfalls in der Stadt war. Als sie von ihrer morgendlichen Ausfahrt zurückkamen, lag seine Karte auf dem Tisch.
    »Großer Gott«, rief Marianne, »er ist hiergewesen, während wir fort waren!« Elinor, erfreut über die Bestätigung, daß er in London war, wagte nun zu äußern: »Ganz bestimmt wird er morgen wiederkommen.« Doch

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