Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
hatte, als er von ihrem Kommen hörte.
    »Ich dachte, Sie wären beide in Devonshire«, sagte er.
    |186| »Tatsächlich?« erwiderte Elinor.
    »Und wann fahren Sie wieder zurück?«
    »Ich weiß es noch nicht.« Und damit endete ihr Gespräch.
    Noch nie in ihrem Leben hatte Marianne so ungern getanzt wie an diesem Abend, und noch nie hatte es sie so leicht ermüdet. Sie beklagte sich darüber, als sie nach Berkeley Street zurückkehrten.
    »Ja, ja«, sagte Mrs.   Jennings, »wir kennen den Grund von all dem sehr gut; wäre eine bestimmte Person, die hier nicht genannt werden soll, dagewesen, wären Sie kein bißchen müde geworden; und um die Wahrheit zu sagen, es war nicht sehr schön von ihm, Ihnen das Zusammentreffen nicht zu gönnen, wo er doch eingeladen war.«
    »Eingeladen!« rief Marianne.
    »So hat es mir meine Tochter Middleton erzählt, denn wie es scheint, hat Sir John ihn heute morgen irgendwo auf der Straße getroffen.«
    Marianne sagte nichts mehr, doch sie sah tief gekränkt aus. Voller Ungeduld, in dieser Situation etwas zu unternehmen, das ihrer Schwester Erleichterung bringen könnte, beschloß Elinor, am nächsten Morgen an ihre Mutter zu schreiben; und indem sie Befürchtungen um die Gesundheit Mariannes in ihr weckte, hoffte sie schließlich, daß ihre Mutter endlich jene Fragen stellen würde, mit denen sie so lange gezögert hatte; und sie war noch ernsthafter zu dieser Maßnahme entschlossen, als sie am Tag darauf beim Frühstück bemerkte, daß Marianne wieder an Willoughby schrieb, denn sie konnte nicht annehmen, daß es an jemand anders war.
    Etwa in der Mitte des Tages ging Mrs.   Jennings allein aus, um etwas zu erledigen, und Elinor begann sofort, ihren Brief zu schreiben, während Marianne, zu ruhelos für eine Beschäftigung, zu besorgt, um sich zu unterhalten, von einem Fenster zum anderen wanderte oder sich, in traurige Betrachtungen versunken, an den Kamin setzte. Elinor machte ihr Ersuchen an die Mutter sehr dringend, berichtete ihr alles, was vorgefallen war, erwähnte ihre Zweifel an Willoughbys Beständigkeit und drang unter Berufung auf Pflicht und |187| Liebe in sie, von Marianne Aufschluß über ihre tatsächliche Beziehung zu ihm zu fordern.
    Sie hatte ihren Brief kaum beendet, als ein Klopfen einen Besucher ankündigte; es wurde Colonel Brandon gemeldet. Marianne, die ihn vom Fenster aus gesehen hatte und die Gesellschaft jeglicher Art haßte, verließ das Zimmer, bevor er eintrat. Er sah noch ernster aus als gewöhnlich, und obgleich er seine Befriedigung darüber zum Ausdruck brachte, sie allein anzutreffen, so als hätte er ihr etwas Besonderes zu berichten, saß er einige Zeit da, ohne ein Wort zu sagen. Elinor, die überzeugt war, daß er ihr etwas mitteilen wollte, was mit ihrer Schwester zu tun hatte, wartete ungeduldig darauf, daß er beginnen würde. Es war nicht das erste Mal, daß sie die gleiche Überzeugung gefühlt hatte; denn mehr als einmal hatte er schon mit der Bemerkung begonnen, »Ihre Schwester sieht heute nicht gut aus« oder »Ihre Schwester ist offenbar in niedergedrückter Stimmung«; und er schien dann im Begriff zu sein, ihr entweder etwas mitzuteilen oder sich nach etwas Bestimmtem über sie zu erkundigen. Nach einer Pause von mehreren Minuten brach er das Schweigen und fragte sie mit erregter Stimme, wann er ihr denn dazu gratulieren könne, einen Schwager zu bekommen. Elinor war auf eine solche Frage nicht vorbereitet, und da ihr nicht gleich eine Antwort einfiel, war sie genötigt, sich mit der in solchen Fällen einfachen und üblichen Frage zu helfen, was er damit meine. Er versuchte zu lächeln, als er antwortete: »Die Verlobung Ihrer Schwester mit Mr.   Willoughby ist ganz allgemein bekannt.«
    »Sie kann gar nicht allgemein bekannt sein«, erwiderte Elinor, »denn ihre eigene Familie weiß davon nichts.«
    Er sah überrascht aus. »Verzeihen Sie, ich fürchte, meine Frage war ungehörig, aber ich hatte nicht angenommen, daß es geheimgehalten werden sollte, da sie einander offen schreiben und überall von ihrer Heirat gesprochen wird.«
    »Wie kann das sein? Von wem können Sie das gehört haben?«
    »Von vielen – von einigen, die Sie gar nicht kennen, und von anderen, mit denen Sie sehr eng befreundet sind – Mrs. |188| Jennings, Mrs.   Palmer und die Middletons. Und doch hätte ich es vielleicht nicht geglaubt – denn wenn man in seinem Innern etwas gar nicht für möglich halten möchte, findet man immer Gründe, die einen in

Weitere Kostenlose Bücher