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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Stimmung war, herumzugehen, nahm sie mit Elinor nicht weit entfernt von dem Tisch Platz, wo zum Glück gerade Stühle frei wurden.
    Sie hatte noch nicht lange dort gesessen, als Elinor Willoughby bemerkte, der wenige Yard von ihnen entfernt stand und sich eifrig mit einer sehr elegant gekleideten jungen Frau unterhielt. Sie lenkte bald seine Aufmerksamkeit auf sich, und er verbeugte sich sofort, doch ohne den Versuch zu unternehmen, mit ihr zu sprechen oder sich Marianne zu nähern, obgleich er sie ohne Frage sehen mußte; dann setzte er die Unterhaltung mit der Dame fort. Elinor wandte sich unwillkürlich Marianne zu, um zu sehen, ob sie das überhaupt bemerkt hatte. Erst in diesem Augenblick nahm Marianne ihn wahr, und während ihr ganzes Gesicht vor plötzlicher Freude erglühte, wäre sie augenblicklich zu ihm hingelaufen, wenn ihre Schwester sie nicht festgehalten hätte.
    »Du lieber Himmel!« rief sie aus, »er ist hier – er ist hier. Oh, warum sieht er nicht zu mir her? Warum kann ich nicht mit ihm sprechen?«
    »Bitte, Marianne, bitte fasse dich«, rief Elinor, »und zeige nicht all den Leuten hier, was in dir vorgeht. Vielleicht hat er dich noch nicht bemerkt.«
    Doch das war mehr, als sie selbst glauben konnte, und in einem solchen Augenblick ruhig zu sein, war Marianne nicht nur unmöglich, sie wollte es auch nicht. Sie befand sich in einer qualvollen Spannung, die sich in jedem ihrer Züge widerspiegelte.
    Schließlich wandte er sich wieder um und sah zu ihnen hinüber; sie sprang auf, nannte seinen Namen in liebevollem Ton und hielt ihm ihre Hand hin. Er kam heran und wandte sich mehr an Elinor als an sie, als wollte er ihrem Blick ausweichen; und entschlossen, ihre Haltung nicht zu bemerken, erkundigte er sich hastig nach Mrs.   Dashwood und danach, wie lange sie schon in der Stadt seien. Elinor verließ alle Geistesgegenwart bei einem solchen Verhalten, und sie |192| konnte kein Wort herausbringen. Doch ihre Schwester gab ihren Gefühlen sofort Ausdruck. Ihr Gesicht überzog sich mit tiefem Rot, und sie rief in höchster Erregung: »Großer Gott, Willoughby, was hat das zu bedeuten? Haben Sie meine Briefe nicht bekommen? Wollen Sie mir nicht die Hand geben?«
    Er konnte es schließlich nicht vermeiden, doch die Berührung ihrer Hand schien ihm peinlich, und er hielt sie nur für einen Augenblick. Während dieser ganzen Zeit bemühte er sich offensichtlich um Fassung. Elinor beobachtete sein Gesicht und sah, wie es allmählich einen gelasseneren Ausdruck annahm. Nach einer kurzen Pause sagte er dann in ruhigem Ton: »Ich habe mir die Ehre gegeben, am letzten Dienstag in Berkeley Street vorzusprechen, und habe es sehr bedauert, daß ich nicht das Glück hatte, Sie und Mrs.   Jennings zu Hause anzutreffen. Meine Karte ist doch nicht verlorengegangen, hoffe ich.«
    »Aber haben Sie denn meine Briefe nicht bekommen?« rief Marianne in heftigster Erregung. »Da muß bestimmt ein Irrtum vorliegen – ein schrecklicher Irrtum. Was kann das alles bedeuten? Sagen Sie mir, Willoughby – um Himmels willen, sagen Sie mir, was ist los?«
    Er gab keine Antwort; er wechselte die Farbe, und seine ganze Verlegenheit kehrte wieder; doch als hielte er es, da er den Blick der jungen Dame auffing, mit der er vorher gesprochen hatte, für notwendig, sich sofort zusammenzunehmen, faßte er sich wieder und erklärte: »Ja, ich hatte das Vergnügen, die Mitteilung von Ihrer Ankunft in der Stadt zu erhalten, die Sie mir freundlicherweise zugesandt hatten«, wandte sich dann mit einer leichten Verbeugung hastig ab und ging wieder zu seiner Bekannten.
    Marianne, die jetzt erschreckend weiß im Gesicht war, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und sank auf ihren Stuhl zurück; und Elinor, die jeden Moment erwartete, daß sie ohnmächtig wurde, versuchte, sie vor den Blicken der anderen abzuschirmen und sie währenddessen mit Lavendelwasser zu beleben.
    |193| »Geh zu ihm, Elinor«, sagte Marianne, sobald sie sprechen konnte, »und zwinge ihn, zu mir zu kommen. Sage ihm, ich muß ihn noch einmal sehen – muß sofort mit ihm sprechen. Ich kann nicht ruhen – ich werde keinen Augenblick Frieden finden, ehe ich nicht eine Erklärung bekomme   –, es muß irgendein schreckliches Mißverständnis geben. Ach bitte, geh sofort zu ihm.«
    »Wie kann ich das tun? Nein, meine liebste Marianne, du mußt warten. Dies ist nicht der Ort für Erklärungen. Warte wenigstens bis morgen.«
    Doch nur unter Schwierigkeiten konnte

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