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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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persönlichen Wunsch zu ihrer Erleichterung hatte Mrs.   Dashwood beschlossen, daß es für Marianne besser wäre, zu dieser Zeit eher an irgendeinem anderen Ort zu sein als in Barton, wo ihr alles, was sie vor Augen hatte, die Vergangenheit in der stärksten und quälendsten Weise zurückbringen mußte, da sie Willoughby, so wie sie ihn stets dort erlebt hatte, ständig vor sich sehen würde. Sie empfahl ihren Töchtern deshalb, ihren Besuch bei Mrs.   Jennings auf keinen Fall zu verkürzen, dessen Länge niemals genau festgelegt worden war, von dem sie jedoch alle stillschweigend angenommen hatten, daß er mindestens fünf oder sechs Wochen dauern sollte. Eine Reihe von Beschäftigungen, Vorhaben und Geselligkeiten, die Barton nicht bieten konnte, müßten dort unbedingt wahrgenommen werden und mochten Marianne, so hoffte sie, gegen ihren Willen zuweilen doch zu einigem Interesse und vielleicht sogar zu einigem Vergnügen daran verleiten, so sehr sie den Gedanken an beides jetzt auch zurückweisen mochte.
    Vor jeglicher Gefahr, Willoughby wiederzubegegnen, glaubte ihre Mutter sie in der Stadt zumindest ebenso sicher wie auf dem Land, da alle, die sich ihre Freunde nannten, den Verkehr mit ihm abbrechen mußten. Absicht konnte sie niemals zusammenführen, Unachtsamkeit niemals einer Überraschung aussetzen, und zufälliges Zusammentreffen war in der |233| Menschenmenge von London sogar weniger wahrscheinlich als selbst in der Zurückgezogenheit von Barton, wo sie ihn während seines Besuches in Allenham anläßlich seiner Heirat – die Mrs.   Dashwood zuerst nur als wahrscheinliches Ereignis vorhergesehen hatte, sich nun jedoch dazu durchgerungen hatte, als ein sicheres anzusehen – durchaus zu Gesicht bekommen konnte.
    Sie hatte noch einen anderen Grund zu wünschen, daß ihre Kinder noch dort bleiben sollten, wo sie waren; ein Brief von ihrem Stiefsohn hatte sie wissen lassen, daß er und seine Gattin noch vor Mitte Februar in die Stadt kommen würden, und sie hielt es für richtig, daß sie ihren Bruder gelegentlich sehen sollten.
    Marianne hatte versprochen, sich vom Rat ihrer Mutter leiten zu lassen, und sie fügte sich deshalb ohne Widerspruch, obgleich sich dieser Rat nun als ganz anders erwies, als sie es gewünscht und erwartet hatte, und obgleich sie ihn als vollkommen falsch empfand, da ihre Mutter von irrigen Vorstellungen ausging und ihr mit der Forderung nach einem längeren Verbleiben in London die einzig mögliche Linderung ihres Kummers nahm – das persönliche Mitgefühl ihrer Mutter – und sie dazu verdammte, an einer Art von Gesellschaften und Ereignissen teilzunehmen, die sie daran hindern mußten, auch nur einen Augenblick Ruhe zu finden.
    Doch es war ein großer Trost für sie, daß Dinge, die schlecht für sie waren, ihrer Schwester Gutes bringen würden; und Elinor, die andererseits befürchtete, daß es ihr nicht möglich sein würde, Edward vollkommen zu meiden, tröstete sich mit dem Gedanken, daß es – obgleich ein längerer Aufenthalt somit ihrer eigenen Seelenruhe entgegenstehen würde – für Marianne besser sein würde als eine sofortige Rückkehr nach Devonshire.
    Elinors Umsicht, ihre Schwester davor zu bewahren, jemals Willoughbys Namen erwähnen zu hören, war nicht umsonst. Marianne hatte, ohne sich dessen bewußt zu sein, den ganzen Gewinn davon; denn weder Mrs.   Jennings noch Sir John und noch nicht einmal Mrs.   Palmer sprachen in ihrer Gegenwart |234| jemals von ihm. Elinor wünschte, sie hätten die gleiche Rücksichtnahme auch auf sie selbst ausgedehnt, doch das war unmöglich, und sie war genötigt, sich Tag für Tag die Empörung aller mit anzuhören.
    Sir John hätte es nicht für möglich gehalten. Ein Mann, von dem er immer soviel Grund gehabt hatte, Gutes zu denken! Ein so freundlicher Bursche. Er glaube nicht, daß es einen kühneren Reiter in England gebe! Das sei eine unerklärliche Geschichte. Er wünsche ihn aus tiefstem Herzen zum Teufel. Er würde um alles in der Welt kein Wort mehr mit ihm sprechen, wo er ihn auch treffen würde! Nein, nicht einmal beim Wildlager von Barton, und wenn sie zwei Stunden zusammen dort warten müßten. So ein Schurke von einem Kerl! So ein hinterlistiger Hund! Erst das letzte Mal, als sie sich trafen, habe er ihm noch einen von Follys Welpen angeboten! Aber damit sei jetzt Schluß!
    Mrs.   Palmer war auf ihre Weise ebenso aufgebracht. Sie sei entschlossen, den Verkehr mit ihm sofort abzubrechen, und sie sei sehr

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