Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
war, selbst die Nachricht übermittelt bekam, da sie darauf bedacht war, daß Marianne dies nicht als erstes aus den öffentlichen Zeitungen erfuhr, die sie ihre Schwester jeden Morgen begierig durchforschen sah.
    Sie empfing die Nachricht mit entschlossener Ruhe, bemerkte nichts dazu und vergoß zuerst auch keine Tränen; doch bald darauf brachen sie hervor, und für den Rest des Tages befand sie sich in einem Zustand, der kaum weniger bedauernswert war als zu der Zeit, da sie erfahren hatte, daß dieses Ereignis zu erwarten war.
    Die Willoughbys verließen die Stadt gleich nach der Trauung, und da nun keine Gefahr mehr bestand, einem der beiden zu begegnen, hoffte Elinor, ihre Schwester, die seit jenem unglückseligen Tag das Haus noch nicht wieder verlassen hatte, dazu bewegen zu können, allmählich wieder auszugehen, wie sie es davor getan hatte.
    |237| Etwa zu dieser Zeit fanden sich auch die beiden Misses Steele, die kürzlich bei ihrer Cousine in Bartlett’s Buildings, Holborn, angekommen waren, wieder bei ihren vornehmeren Verwandten in Conduit Street und Berkeley Street ein und wurden von allen mit großer Herzlichkeit begrüßt.
    Nur Elinor sah sie nicht gern. Ihre Gegenwart verursachte ihr stets Qualen, und sie wußte kaum, wie sie auf die überwältigende Freude Lucys, sie
noch immer
in der Stadt zu finden, mit aller Freundlichkeit reagieren sollte.
    »Ich wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn ich Sie hier nicht
noch
angetroffen hätte«, sagte Lucy wiederholt, mit einer starken Betonung auf dem Wort
noch
. »Aber ich habe es eigentlich immer
angenommen
. Ich war mir fast sicher, Sie würden London noch nicht so schnell verlassen, obgleich Sie mir, nicht wahr, in Barton
gesagt
hatten, Sie würden nicht länger als
einen Monat
bleiben. Aber ich dachte mir damals, daß Sie es sich sehr wahrscheinlich anders überlegen würden, wenn es erst soweit ist. Es wäre ein solcher Jammer gewesen, abzureisen, bevor Ihr Bruder und Ihre Schwägerin angekommen sind. Und nun werden Sie es bestimmt
nicht eilig
haben, abzureisen. Ich bin außerordentlich froh, daß Sie
Ihr Wort
nicht gehalten haben.«
    Elinor verstand sie vollkommen, und es erforderte ihre ganze Selbstbeherrschung, den Eindruck zu erwecken, daß sie es
nicht
tat.
    »Nun, meine Liebe«, sagte Mrs.   Jennings, »und wie sind Sie hergekommen?«
    »Nicht mit der Postkutsche, das versichere ich Ihnen«, erwiderte Miss Steele sofort triumphierend; wir sind den ganzen Weg mit einer eigens gemieteten Kalesche gekommen, und wir hatten einen sehr feschen Kavalier zur Begleitung. Dr.   Davies fuhr nämlich auch in die Stadt, und da dachten wir, daß wir uns ihm in der Kalesche anschließen sollten; und er zeigte sich sehr nobel und bezahlte zehn oder zwölf Shilling mehr als wir.«
    »Oh, oh!« rief Mrs.   Jennings, »wirklich sehr hübsch! Und ich wette, der Doktor ist alleinstehend.«
    |238| »Da haben wir’s«, sagte Miss Steele affektiert lächelnd; »alle lachen so über mich wegen dem Doktor, und ich weiß wirklich nicht, warum. Meine Verwandten sagen, ich hätte bestimmt eine Eroberung gemacht; aber was mich betrifft, da muß ich sagen, ich denke keine Minute an ihn. ›Du lieber Himmel, da kommt dein Verehrer, Nancy‹, sagte meine Cousine neulich, als sie ihn über die Straße und auf das Haus zukommen sah. ›Mein Verehrer, also wirklich!‹ sagte ich, ›ich habe keine Ahnung, wen du meinst. Der Doktor ist nicht mein Verehrer.‹«
    »Ja, ja, das ist alles sehr schön gesagt – aber damit ist nichts – der Doktor ist der Mann, ich weiß schon.«
    »Nein, wirklich nicht!« erwiderte ihre Verwandte mit geheuchelter Ernsthaftigkeit, »und ich bitte Sie, zu widersprechen, wenn Sie jemals davon reden hören.«
    Mrs.   Jennings gab ihr die befriedigende Versicherung, daß sie das mit Sicherheit nicht tun werde, und das machte Miss Steele restlos glücklich.
    »Ich nehme an, Sie werden sich dann bei Ihrem Bruder und Ihrer Schwägerin aufhalten, wenn sie in die Stadt kommen, Miss Dashwood«, sagte Lucy, die, nachdem sie ihre feindseligen Anspielungen kurzzeitig eingestellt hatte, nun wieder zum Angriff überging.
    »Nein, das glaube ich nicht.«
    »O doch, das werden Sie bestimmt.«
    Elinor wollte ihr nicht den Gefallen tun und noch weiter widersprechen.
    »Wie wunderbar, daß Mrs.   Dashwood Sie beide zugleich eine so lange Zeit entbehren kann!«
    »Was heißt eine lange Zeit!« warf Mrs.   Jennings ein. »Ihr Besuch hat doch gerade erst

Weitere Kostenlose Bücher