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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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aus der sie stammt, wird eben geheiratet. Da gibt’s keine Diskussion.«
    Sie sah kurz zu mir herüber und schüttelte den Kopf.
    »Ich kann das nicht.«
    »Erzähl weiter.«
    »Als ich dreizehn war, da … na ja, da hat er mich vergewaltigt, könnte man sagen.«
    Ich wartete. Ich spürte, wie sich ein Kloß in meiner Kehle bildete, obwohl ich mir schon so etwas Ähnliches gedacht hatte. Nun brach das Unvermeidliche über mich herein. Als stünde das Auto unter einer großen Glasglocke, und in diesem Vakuum wäre nichts außer diesem einen Augenblick, diesem einen Ereignis.
    Und stellt euch Folgendes vor:
    In diesem Moment war ich ihr mit Haut und Haaren verfallen.
    Ich wartete. Ich glaube, ich wagte nicht mal zu blinzeln. Irgendwann muss ein Auto vorbeigefahren sein, weil ich mich deutlich an ihr Gesicht im Scheinwerferlicht erinnern kann.
    »Ich war gerade in der Badewanne. Damals habe ich noch gerne gebadet. Privatsphäre wurde bei uns nicht gerade großgeschrieben. Ich hatte die Tür offen gelassen und sah auf, und da stand er. Er war betrunken. Das merkte man sofort. Er sah nicht gut aus. Gar nicht gut. Ich war nicht sauer oder so … er tat mir leid. Ich sah ihm dabei zu, wie er mich anstarrte, aber ich schrie nicht und bewegte mich nicht und war ganz still. Er hatte mich vorher schon nackt gesehen, aber dieses Mal … war es anders. Ich war gerade zur Frau geworden – ich wusste Bescheid . Wirklich. Und er tat mir so leid.
    Ich stand auf und wickelte mich in ein Handtuch und ging an ihm vorbei. Er hat mich nicht angefasst. Und auch nichts gesagt. Ich ging in mein Zimmer, machte die Tür hinter mir zu und starrte eine sehr lange Zeit in den Spiegel.
    Dann hab ich ein bisschen gelesen, bis ich müde war und ins Bett ging. Ich hörte, wie er unten in der Küche herumfuhrwerkte. Wahrscheinlich trank er weiter. Ich konnte nicht einschlafen. Jedes Mal, wenn ich wegdämmerte, hörte ich ihn und wachte wieder auf.
    Wie soll ich das nur erklären? Ich … wollte , dass er zu mir kommt. Manchmal denke ich, dass ich ihn mir herbeigewünscht habe. Er war so offensichtlich todunglücklich. Und ich …«
    Ich sah, wie ihr die Tränen aus den Augen quollen, doch sie drängte sie zurück und redete weiter, bevor sie sie erneut überwältigen konnten.
    »… ich liebte ihn. Er war mein Vater. Er hatte mir nie was getan. Und gleichzeitig hatte ich Angst …
    Ich hörte seine Schritte auf der Treppe, und die Tür ging auf, und dann lag er neben mir im Bett. Er machte komische Geräusche und roch nach Whiskey. Er stank, und er gab fürchterliche Töne von sich, als hätte er Schmerzen oder Angst. Und seine Hände waren so groß, viel größer, als ich sie in Erinnerung hatte.
    Er streichelte mein Haar und meine Wange. Er legte seine Hand auf meine Brust. Ich hatte nur einen Schlafanzug an, und er zog mir die Hose runter. Ich hatte Angst, er sah mich so komisch an, ich wollte, dass er aufhört. ›Es tut mir leid‹, habe ich gesagt, als hätte ich was Schlimmes angestellt. ›Tut mir leid‹, hab ich immer wieder gesagt. Da hab ich schon geweint, aber er hat mich immer weiter berührt. Es hat nicht wehgetan, aber ich hatte solche Angst, Todesangst, und ich hab ihn angeschrien, er soll damit aufhören, ich sag’s Mama, ich sag’s Mama, und dann wieder, dass es mir leidtut …
    Und plötzlich kam Jimmy ins Zimmer. Rieb sich die Augen. Er war nur ein dummes kleines Kind, acht Jahre alt, noch im Halbschlaf, und wollte nachsehen, wo der Lärm herkommt. Und da liegen sein Vater mit runtergelassener Hose und seine Schwester mit nacktem Hintern im Bett, Daddy hat seine Hand zwischen ihren Beinen, und überall ist Blut … auf den Laken, auf meinen Beinen. Was mir vorher gar nicht aufgefallen war.
    Jimmy rannte so schnell aus dem Zimmer, dass ich noch mehr Angst bekam, und mein Vater, mein Vater stöhnte, als hätte ich ihm wehgetan oder so, nur noch schlimmer, es war ein ganz furchtbares Seufzen. Und er rollte von mir herunter. Und ich … ich bin hinter Jimmy her.
    Wir hatten einen kleinen Hund. Einen Welpen. Er gehörte Jimmy, aber wir mochten ihn alle. Und wir hatten eine Treppe damals, genau so eine wie jetzt. Der Flur war dunkel, und Jimmy … hat den Hund nicht gesehen, der vor der Treppe lag. Ich rannte ihm hinterher, und er wollte nach unten … und dann hörte ich nur noch den Hund jaulen und meinen Vater hinter mir schreien. Und Jimmy, wie er die Treppe runterfiel, und dann ein lautes, feuchtes Klatschen, wie wenn man …

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