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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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kochte innerlich vor Wut wie noch nie in meinem Leben. Dann gab ich Gas und suchte nach der nächsten Highwayauffahrt.
    Auf den stillen Straßen von Dead River beschleunigte ich auf hundert, auf der Küstenstraße auf hundertzwanzig Sachen, obwohl weder die Straße noch der Pick-up auch nur annähernd für so eine Geschwindigkeit ausgelegt waren. Irgendwann wurde mir schlagartig bewusst, was ich tat, und hielt an.
    Ich hätte uns umbringen können.
    Ich schaltete den Motor und die Scheinwerfer aus. Nun saßen wir am Rand einer schlechten Straße, es war stockdunkel, und um uns herum waren nur Grillen und Frösche. Ich labte mich an meinem gerechten Zorn, kostete ihn so lange wie möglich aus und wartete darauf, dass sie etwas sagte, sich in irgendeiner Form entschuldigte, obwohl ich tief in meinem Inneren genau wusste, dass sie nichts, aber auch gar nichts sagen konnte, um es wiedergutzumachen. Ich griff an die Stelle, wo ich ihr Hemd vermutete, zog sie zu mir und schüttelte sie mit beiden Händen wie eine Stoffpuppe, sodass sie gegen den Sitz geschleudert wurde, und sie wimmerte und flehte mich an aufzuhören, und ich sagte, scheiß auf dich, und spürte voller Freude, wie das Hemd unter meinen großen, groben Fäusten zerriss.
    »Du verstehst das nicht!«
    Sie weinte wieder, doch diesmal war es mir egal. Es bedeutete mir überhaupt nichts. Sie ließ mich völlig kalt. Ich schüttelte sie, bis das Hemd auch noch an der Schulter aufriss, aber das reichte mir nicht, deshalb packte ich ihre Haare und schüttelte sie weiter.
    »Du Arschloch! Du verstehst gar nichts! «
    Und mit einem Mal explodierte sie, tränenüberströmt und kreischend, wie eine kleine Bombe.

12
    Ich hatte ja schon erwähnt, dass sie sehr durchtrainiert war.
    Fast hätten wir den Vordersitz aus dem Pick-up gerissen.
    Ich konnte sie kaum sehen und sie mich nicht, und so mussten wir bei unserem kleinen Handgemenge beide ordentlich einstecken, wenn auch unabsichtlich. Wir zerbrachen den Rückspiegel, und in der Verkleidung des Autoradios war eine apfelgroße Delle.
    Als wir langsam müde wurden, waren meine Handflächen nass von ihren Tränen. Ihr feuchter, salziger Geruch erfüllte den Wagen, als sie an meiner Schulter schluchzte, tiefe, grässliche Seufzer, die den kümmerlichen Rest meines Zorns verscheuchten, sodass ich sie festhielt und streichelte und mich fragte, wie zum Teufel es so weit hatte kommen können.
    »Halt mich fest, ja?«
    Ihre Stimme wurde von meinem Körper gedämpft. Sie schniefte und lachte leise.
    »Ich … ich hab wohl eine Schraube locker, glaubst du nicht auch? Kannst du mich einfach … festhalten?«
    Ich hielt sie fest.
    Eine Weile später seufzte sie.
    »Scheiße, ich bin völlig durch den Wind!«
    »Willst du’s mir nicht erzählen?«
    Sie lachte wieder. Ein trauriges Lachen.
    »Nein.«
    »Erzähl’s mir trotzdem.«
    Sie schwieg einen Augenblick lang, und meine Hand wanderte zu der Stelle auf ihrer Schulter, an der ich ihr das Hemd aufgerissen hatte. Jetzt atmete sie ruhiger und gleichmäßiger.
    »Er hat schon lange nichts mehr getan. Ich hätte ihm fast vergeben. Uns beiden vergeben.«
    Sie hielt erneut inne, und ihre Stimme wurde kälter.
    »Nein, das stimmt nicht. Das war gelogen.«
    »Wer? Von wem redest du?«
    »Von meinem Vater.«
    Sie drehte den Kopf ein klein wenig zur Seite, sodass er auf meiner Schulter zum Liegen kam, und starrte durch die Windschutzscheibe. Das Mondlicht brach durch die Wolken, und ich erkannte die Schneckenspuren der Tränen auf ihren Wangen. Im kalten weißen Licht wirkte sie sehr blass, fast abgehärmt.
    »Er trinkt. Und zwar viel. Was man als stellvertretender Geschäftsführer einer Bank eigentlich nicht tun sollte. Daher trinkt er zu Hause, wo ihn niemand sehen kann. Niemand außer uns.
    Meine Mutter ging weiterhin aus, zu Vereinstreffen und Veranstaltungen und solchen Sachen, wie es von einer Ehefrau in ihrer … Position erwartet wird. Er bekam das nicht mehr auf die Reihe. Sobald Schnaps in der Nähe ist, fängt er an, sich zu besaufen. Also blieb er zu Hause. Bei uns, also bei mir und bei Jimmy, meinem kleinen Bruder. Vielleicht wollte sie einfach nicht in seiner Nähe sein. Keine Ahnung.
    Er ist kein schlechter Mensch. Er ist nicht gemein oder so. Selbst wenn er getrunken hat. Er ist nur schwach und ein Idiot. Sie dagegen ist ziemlich schlau. Nur hat sie kein Verständnis für ihn und ist schwer enttäuscht. Sie hätten überhaupt nicht heiraten dürfen. Aber in der Familie,

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