Versteckt
Tür.
»Abgesperrt.«
Ich sah mich um. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass uns jemand beobachtete. Wir waren kurz davor, in ein fremdes Haus einzubrechen. Bei meinem Glück war es so gut wie sicher, dass wir über kurz oder lang entdeckt und erwischt werden würden.
»Das Fenster auf dieser Seite ist zerbrochen. Vielleicht kann sich jemand durchzwängen und uns dann von der anderen Seite aufmachen.«
Ich sah Steven an.
»Ich ganz bestimmt nicht.« Er deutete auf seine Leinenhose. »Das geht nie wieder raus.«
Deshalb also der Strandparty-Aufzug. Ich nahm ihm die Taschenlampe ab, ging zum Fenster hinüber und schaltete sie ein. Die Öffnung war breit genug für mich und gerade mal auf Brusthöhe. Ich konnte mit Leichtigkeit hindurchschlüpfen. Aber große Lust dazu hatte ich nicht.
Aus der unteren Rahmenseite ragte eine spitze Glasscherbe. Ich zog sie heraus und warf sie ins hohe Gras. Es war kein Klirren zu hören.
Ich ließ den Strahl der Taschenlampe durch das Innere des Hauses wandern. Auf dem Boden lagen jede Menge Glassplitter, aber nichts, was mir direkt den Weg versperrte. Ich wischte mit dem Knauf der Lampe über das Fensterbrett, damit ich nicht versehentlich in eine Scherbe fasste, und gab sie Steven zurück.
Ich griff durchs Fenster und ertastete die Kante des Fensterbretts. Daran zog ich mich hoch, bis ich Kopf, Schultern und Brustkorb durch die Öffnung gezwängt hatte. Sofort schlug mir ein kühler, muffiger Geruch entgegen. Ich schob mich weiter, bis mein Hintern und schließlich meine Beine durch das Fenster glitten. Knirschend landete ich auf den Scherben, und Steven reichte mir erneut die Taschenlampe.
Das Adrenalin pumpte wie verrückt durch meinen Körper. Jetzt war ich tatsächlich eingebrochen – jetzt hatten sie das Recht, mich jederzeit zu verhaften.
Scheiße.
Ich leuchtete noch einmal durch den Raum. Auf den ersten Blick war außer einem alten Holztisch und einem Kanonenofen nichts zu erkennen. Ich war in der Küche gelandet. Einer sehr großen Küche. Wo der Kühlschrank gestanden hatte, bedeckten Rostflecken den Linoleumboden. An den Wänden hing eine mit Früchten und Beeren bedruckte Tapete, die Fläche über der Spüle war mit dreckigen weißen Fliesen gekachelt. Seltsamerweise waren die Fenster- und Türrahmen sowie die Küchenschränke noch ganz gut in Schuss. Anscheinend hatte sie der Doktor abgeschliffen und neu gestrichen.
An einem Nagel in der Wand neben mir hing ein zwei Jahre alter Kalender von der Tankstelle. Der Monat Dezember war aufgeschlagen. Zwei Terrierwelpen guckten mit feuchten, traurigen Augen aus einem Weihnachtsstrumpf. Direkt darunter war eine Telefonbuchse, auf dem Boden lag ein kleiner zertrümmerter Beistelltisch.
Ich ging zur Vordertür.
Sie war sowohl mit einem Drehschloss als auch mit einem Riegel gesichert. Ich drehte den Knauf des Schlosses herum und schob den Riegel beiseite. Casey betrat das Haus als Erste, die anderen folgten ihr. Ich machte die Tür hinter ihnen wieder zu.
»Licht«, sagte sie, und der Schein von Caseys und Kims Taschenlampe gesellte sich zu dem meiner eigenen.
Direkt vor uns befand sich die Treppe zum Obergeschoss. Die Stufen sahen noch einigermaßen stabil aus, und das Geländer war wohl vor nicht allzu langer Zeit erneuert worden.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich mich so gut wie gar nicht mehr an das Haus erinnern konnte. Die Treppe beispielsweise war mir völlig entfallen, allerdings lagen die Ereignisse auch schon lang zurück, und an jenem Tag war viel los gewesen. Wahrscheinlich hatte sich dieser Ort im Laufe der Zeit in meiner Erinnerung verändert.
Die Kadaver hatten sie bestimmt in der Küche gefunden.
Von innen wirkte das Haus längst nicht mehr so geheimnisvoll. Bis auf Casey waren wir darüber alle erleichtert. Eine Blümchentapete ist ja auch nicht so wahnsinnig unheimlich.
Ich ging an der Treppe vorbei ins Wohnzimmer. Casey folgte mir, während sich Kim und Steven in der Küche umsahen.
Im Wohnzimmer standen ein einzelner dick gepolsterter Sessel und eine alte Couch, deren Füllung fast ganz herausgerissen und über den Boden verteilt war. Ich tippte auf Mäuse. Mäuse fraßen so ziemlich alles. Daneben ein weiterer, diesmal intakter Beistelltisch unter einem Fenster, das zur Rückseite des Hauses zeigte. Wenn man die Läden öffnete und hinausblickte, konnte man zur Rechten die dunkle, verwitterte Bretterwand des Holzschuppens erkennen.
Es gab einen Kamin mit einem alten
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