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Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Titel: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt , Giovanni di Lorenzo
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Notfall erfolgreich zu polemisieren.
    Sie selbst haben einmal gesagt, Politik sei Kampfsport.
    Ich wollte damit nur ausdrücken, dass man in der Politik wie beim Fußball, beim Rugby oder beim Hockey eine Mannschaft braucht und keine Einzelkämpfer. Politik ist kein Jiu-Jitsu, sondern Kampfsport im Sinne des Mannschaftssports.
    Gibt es heute weniger Politiker, die einen Draht zu den Bürgern haben und deren Sprache sprechen?
    Ich glaube nicht, dass es heute weniger sind. Gerhard Schröder konnte das zum Beispiel recht gut, und Joschka Fischer auch.
    Guido Westerwelle ist doch auch ein guter Redner.
    Er erreicht aber das Volk nicht.
    Oskar Lafontaine?
    Ja, der erreicht das Volk, leider, weil das, was er redet, leichtfertiger Opportunismus ist. Doch, solche Politiker gibt es immer wieder. Es hat auch immer erfolgreiche Politiker gegeben, die in Wirklichkeit das breite Volk nicht erreichen konnten. Adenauer zum Beispiel, der zwar kein mitreißender Redner war, wohl aber ein bedeutender Politiker.
    Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Wähler es heute schwerer haben, weil es ihnen an Identifikationsfiguren und an klaren Alternativen fehlt.
    Das sehe ich anders. Die Wähler haben es heute in gewisser Weise leichter als etwa in den fünfziger Jahren. Damals gab es viel mehr Schwarz-Weiß-Entscheidungen. Da sagte Kurt Schumacher: Die Westbindung ist verkehrt. Und Konrad Adenauer widersprach ihm. Für das wählende Publikum war es ganz schwer, zu entscheiden, wer recht hatte. Solche richtungweisenden Entweder-oder-Entscheidungen gibt es kaum noch. Das hängt damit zusammen, dass der Kalte Krieg zu Ende ist. Nachdem die scharfen Gegensätze überwunden sind, kann heute das normale Publikum es leichter verantworten als vor 30 oder 40 Jahren, nicht zur Wahl zu gehen.
    In Hamburg haben im Februar nur noch 57 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, in Sachsen-Anhalt waren es kürzlich 51 Prozent. Ist das für Sie kein Ausdruck von Unzufriedenheit mit den Politikern?
    Einige Bürger sind unzufrieden, ja. Aber eine geringe Wahlbeteiligung ist nicht nur Ausdruck von Unzufriedenheit mit der Politik. Vielen kommt die Politik insgesamt nicht mehr so wichtig vor.
    Sie scheinen das mit Gelassenheit zu nehmen. Öffnet eine geringe Wahlbeteiligung nicht Tür und Tor für Populisten?
    Die Chancen von Populisten hängen zurzeit weniger damit zusammen, dass nicht alle Leute zur Wahl gehen, sie hängen zusammen mit der Angst vieler Leute vor der Überfremdung durch Zuwanderer aus sehr fremden Zivilisationen. Das haben Sie gesehen in Frankreich bei Le Pen, in Belgien, in Holland, in Österreich, auch in Dänemark. Dieser antiislamische Populismus hat große Chancen, völlig unabhängig von der Wahlbeteiligung.
    Ist es nur Zufall, dass es in Deutschland glücklicherweise niemanden gibt, der diese Angst bündeln und in eine politische Bewegung überführen kann?
    Ich halte die Tatsache, dass wir solche Leute wie Wilders oder Haider in Deutschland bisher nicht haben, eigentlich für ein gutes Zeichen, das spricht für die Deutschen.
    Werden Politiker heute strenger beurteilt als zu Ihrer Zeit? Franz Josef Strauß zum Beispiel hat die schlimmsten Affären überstanden.
    Dass er die Spiegel -Affäre überstanden hat und anschließend wieder Minister wurde, ist auch für die damalige Zeit ungewöhnlich gewesen, keineswegs typisch. Nein, es hat auch zu meiner Zeit Fälle gegeben, wo Politiker wegen Affären vor Gericht kamen, verurteilt wurden und die Konsequenzen ziehen mussten. Auf der anderen Seite gab es auch Rücktritte, die überflüssig waren: Brandts Rücktritt nach der Guillaume-Affäre war abwegig, in meinen Augen absolut unverhältnismäßig.
    War der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg notwendig?
    Ich glaube, dass er sich nach Bekanntwerden des Plagiats sehr ungeschickt verhalten hat. Es war gewiss nicht klug, zunächst nur Fehler einzuräumen und erst ein paar Tage später auf den Doktortitel zu verzichten. Wir haben da einen unvermeidlichen Rücktritt schrittweise erlebt. Aber ich möchte mich eigentlich nicht an diesem Streit pro und kontra Guttenberg beteiligen. Als Verteidigungsminister hat er allzu leichtfertig Dinge entschieden, die er nicht durchdacht hatte.
    Vor nicht allzu langer Zeit haben Sie ihn noch als kanzlertauglich bezeichnet, neben Merkel, Steinmeier und Steinbrück.
    Ja, wenn er ein paar Jahre in seinem Amt durchgestanden hätte. Er ist ganz zweifellos ein hochbegabter Mann.
    Fanden Sie das Echo

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