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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Trottoirs waren uneben und stellenweise aufgeplatzt. Die Türen waren zugepflastert mit Pamphleten und Ankündigungen von Ereignissen, die in der Vergangenheit lagen. Hier und dort fehlte ein Haus, dann erstreckte sich brachliegender Grund zwischen den Außenwänden der Nachbarhäuser, an deren teils gekachelten Wänden noch der Verlauf der ehemaligen Zimmer und Treppen zu erkennen war. In den wenigen Geschäften, die nicht verbrettert und mit Graffiti vollgesprüht waren, wurden Waren aus anderen Teilen der Welt verkauft. Vor einem dieser Läden stand ein magerer Kerl mit olivfarbener Haut in der Tür und kaute gelangweilt auf irgendetwas herum.
    Es war ziemlich ruhig, wie Maier auffiel. Reges Treiben konnte man hier wahrscheinlich erst nachts erleben.
    »Hier ist es«, rief Sven plötzlich, vom Stadtplan aufsehend. »Hier links, ganz sicher.«
    Maier bog ab. Eine kleine Gruppe schwarzer Frauen saß plaudernd auf den Stufen vor einem Hauseingang im Schatten. Mit ihren knallgrünen Gewändern wirkten sie in dem trübseligen Viertel wie eine exotische Oase. Sie schauten dem vorbeifahrenden Laguna hinterher.
    Aus dem Augenwinkel registrierte Maier ihre neugierigen Blicke. Eben hatte er noch gedacht, dass ein Laguna in Frankreich nicht auffallen würde, aber der quasi fabrikneue Renault fiel hier genauso aus dem Rahmen wie ein geschniegelter Lipizzaner auf dem Schlachtpferdemarkt. Bei den anderen Autos, die hier am Straßenrand geparkt standen, handelte es sich durchweg um verrostete und verbeulte Schrottkarren älteren Baujahrs mit schief hängenden Stoßstangen.
    Kurz vor einer Kreuzung rief Sven plötzlich aufgeregt: »Hier ist es, das Haus dort, rechts, Nummer 257.«
    Ohne den Fuß vom Gas zu nehmen, versuchte Maier, sich das Gebäude rasend schnell einzuprägen. Ein großer, schlichter Backsteinbau, L-förmig und anders als die sonstigen Häuser in der Gegend mit großen Fenstern aus Drahtglas versehen. Vornehm und spartanisch zugleich. Eine ehemalige Schule oder Kaserne, vielleicht auch ein Krankenhaus. Zwei Stockwerke, etwa fünfzehn Meter von der Straße zurückversetzt, auf der rechten Seite frei stehend. Davor ein abgesackter Parkplatz, keine Autos. Zum Bürgersteig hin über die gesamte Breite ein mannshoher Zaun, von Stacheldraht gekrönt. Die beiden Hälften des Eingangstors wurden mit einer funkelnagelneuen Eisenkette zusammengehalten, an der ein ebenso neues, glänzendes Hängeschloss zu erkennen war.
    Kein Firmenschild. Keine Klingel oder Gegensprechanlage.
    Das Gebäude stand an einer Ecke. Maier bog rechts ab, um auch die Seitenfront in Augenschein nehmen zu können. Sie
war fensterlos. Die Rückseite grenzte an Häuserzeilen. Keine Brandgasse, die Gebäude waren direkt aneinandergebaut.
    Er fuhr weiter. Die Fenster zur Seitenstraße, in der sie sich jetzt befanden, waren zugezimmert, diese Häuser waren also anscheinend nicht bewohnt. Jedenfalls nicht von Leuten, die bei ungewöhnlichen Vorkommnissen die Polizei rufen würden. Wer sich hier herumtrieb, hatte das Stadium bürgerlicher Wachsamkeit bereits weit hinter sich gelassen.
    »Nett hier«, sagte Sven. Er klang angespannt.
    Maier hielt ein Stück weiter am Straßenrand. »Ich gehe zu Fuß ein paar Schritte zurück. Mal sehen, ob wir irgendwo Posten beziehen können, mit Blick auf das Haus. Und dann gehen wir erst mal was essen.«
     
    Zwei Stunden später saßen sie unter dem Schirmdach eines lärmigen Straßencafés am Rand des Zentrums. Auf dem kleinen runden Tisch vor ihnen standen zwei Teller mit in Essig ertränktem Salat, wässrigem Thunfisch und Mais aus der Dose. Schweigend würgten sie das Zeug hinunter. Sven spülte mit einem großen Glas Kronenbourg nach, Maier mit Evian-Wasser.
    Es war brütend heiß, und der Smog über der Stadt war fast zu sehen. Ein Unwetter würde nicht lange auf sich warten lassen. Scharen von Menschen liefen an dem schattigen Straßencafé vorbei: Touristen, Geschäftsleute, Obdachlose und Anwohner. Maier würdigte sie keines Blickes. Hinter einer Ray-Ban-Sonnenbrille, eine schwarze Baseballmütze tief in die Stirn gezogen, war er in Gedanken versunken. Sven trug die gleiche Kluft, aus denselben Gründen. Man konnte nie ausschließen, dass irgendwer einen an einem bestimmten Ort bemerkte, später noch einmal sah und dann eins und eins zusammenzählte. Kameras gab es mittlerweile auch überall. Big Brother war schon längst kein düsteres Zukunftsbild aus Orwells 1984 mehr, sondern alltägliche

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