Verstrickung des Herzens
wohlbekannten, irrtümlich verhafteten Halbindianer.
Aber der mißgelaunte grauhaarige Schreiber blickte nur kurz von dem Formular auf, das er gerade ausfüllte. Über die eine Hälfte seines schmalen Gesichts zogen sich häßliche Narben. »Keine Besucher.« »Was?« rief Teela.
»Ihr Halbindianer ist nicht unschuldig, Ma'am.«
»Wie können Sie es wagen ...«
»Er hat mehrere Menschen ermordet und die Tochter eines Colonels entführt.«
»Das ist eine verdammte Lüge!«
»Teela!« mahnte John.
Natürlich, junge Damen durften nicht fluchen. Wenn es ihr auch egal war, was der Soldat von ihr hielt — sie wollte ihn nicht gegen sich aufbringen, und so beschloß sie, ihre Zunge zu hüten. »Ich selbst bin die Frau, die angeblich entführt wurde. Und ich schwöre auf ein Dutzend Bibeln, James McKenzie hat nichts dergleichen getan. Außerdem war ich Zeugin des Massakers ...«
»Also konnten Sie mit ansehen, wie er die Soldaten niedergemetzelt hat?«
Da vergaß sie ihre guten Vorsätze. »Oh, Sie aufgeblasener Idiot!«
»Keine Besucher. Der Indianer Running Bear wird den überlebenden Zeugen gegenübergestellt und eine Gelegenheit erhalten, sich zu rechtfertigen. Das wäre alles.«
»Alles? Moment mal, ich setze Himmel und Hölle in Bewegung, und ich ...«
»Bitte, Teela!« fiel John ihr ins Wort, umfaßte ihren Arm und zog sie näher zu sich heran. »Das ist Clarence Higgens«, flüsterte er. »Früher gehörte er dem Kommando deines Vaters an. Als die Truppe von Osceolas Kriegern angegriffen wurde, entging er dem Tod um Haaresbreite. Wir müssen den Rückzug antreten, zumindest vorerst.«
»Sicher finde ich jemanden, der Sie eines Besseren belehren wird, Soldat«, verkündete sie kühl — keineswegs bereit, den Kampf aufzugeben.
Der narbige Lieutenant Higgens starrte sie an. »Wenn Sie es wünschen, kann ich Sie zu Ihrem Vater ins Landesinnere schicken«, forderte er sie heraus.
»Fahren Sie zur Hölle!« zischte sie, und John zerrte sie hastig aus dem Büro. Im Flur entdeckte sie den alten Riley Marshall, der von einem jungen Sergeant eskortiert wurde. »Riley! rief sie. »Gerade habe ich versucht, James zu sehen ...« Verwirrt verstummte sie, als er den Kopf schüttelte.
»Gehen Sie nicht zu ihm.«
»Aber ...«
»Miss, ich flehe Sie an, gehen Sie nicht zu ihm. Lassen Sie ihm Zeit. Er würde Ihnen seine ganze Wut ins Gesicht schleudern.«
»Was? Warum?«
»Weil er betrogen wurde.«
»Vom Militär?«
»Und von Ihnen. Bitte, besuchen Sie ihn nicht. Sonst würden sie uns alle in noch größere Schwierigkeiten bringen.«
Er eilte weiter, von seinem Bewacher begleitet, und Teela schaute ihm fassungslos nach. Um Gottes willen, wovon redete der Mann? Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen. Also hatte James jene schrecklichen Abschiedsworte ernst gemeint — er wollte sie tatsächlich loswerden und nie Wiedersehen.
»Teela?«
»Gehen wir, John.«
Schweigend steuerte sie den Wagen zu Jarretts Haus zurück. In der Halle angekommen, begann John: »Wir können doch immer noch versuchen, mit James zu sprechen ...«
»Von mir aus soll er in der Festung vermodern!« fauchte sie und lief die Treppe hinauf.
Die Haftbedingungen waren relativ angenehm, denn Captain Morrison, der Kommandant des Castillos, erlaubte den Indianern, sich innerhalb der Mauern frei zu bewegen. Eigentlich gab es nur ein einziges Problem. Für die vielen Gefangenen reichten die Toiletten nicht aus, und infolge der mangelhaften hygienischen Zustände verbreitete sich bald eine ansteckende Fieberkrankheit.
Zum Glück wurden sie gut ernährt. Osceola und einige andere Krieger ließen ihre Familien nachkommen. Begierig aßen die halbverhungerten Kinder alles auf, was man ihnen vorsetzte.
James hatte seinen Bruder gebeten, sich nicht einzumischen. Obwohl er wußte, wie sehr Jarrett unter der beunruhigenden Situation litt, beschloß er, zu warten.
In der Festung drohte ihm keine Gefahr. Die Freunde, die er beim Militär gefunden hatte, versicherten ihm, Warren halte sich immer noch im Landesinneren auf, um seine speziellen Kampfmethoden anzuwenden.
Vom Festungsarzt Dr. Wheedon, der die kranken Indianer behandelte, erfuhr er, die beiden Soldaten, die Otters Attacke überlebt hatten, würden sich im Fort Brooke von ihren schweren Verletzungen erholen und dann auf Hernandez' Wunsch ins Castillo kommen, wo sie James entlasten sollten.
Als er in einem der großen Räume auf dem Boden saß, an die Wand gelehnt, kam Wildcat zu ihm und ließ
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