Verstrickung des Herzens
übersetzte die Worte. »Doch wir wurden schon so oft hintergangen. Deshalb müssen Sie jetzt mit mir kommen. Man wird Sie alle gut behandeln. Das verspreche ich. Hier ist Blue Snake von den Yuchis, der mich begleitet hat, um mit Ihnen zu reden. Er wird Ihnen erklären, daß Sie sich ergeben müssen.«
Die Schultern gebeugt, bleich und müde, trat Blue Snake zwischen den berittenen Soldaten hervor. »General Hernandez, soviel ich weiß, pflegt man den Feind nicht gefangenzunehmen, wenn er verhandeln will.«
Überrascht wandte sich Hernandez zu Blue Snake. Mit einer knappen Geste bedeutete er seinen Soldaten, vorzurücken, und die Falle schnappte zu. Obwohl sämtliche Krieger Gewehre trugen, konnten sie keinen einzigen Schuß abgeben, ehe man sie alle töten würde.
James betrachtete Osceolas ausdrucksloses Gesicht, während Hernandez weitere Erklärungen abgab. So wie Jarrett es vorausgesagt hatte, sollten die Indianer ins Fort von St. Augustine gebracht werden. Osceola und zwei Häuptlinge stiegen auf Pferde, die anderen mußten zu Fuß gehen.
Bevor Hernandez das Zeichen zum Aufbruch gab, ritt er zu James.
»Das war Betrug, General.«
»Eine notwendige Maßnahme.«
»Soeben haben Sie einen legendären Kriegerhäuptling festgenommen, der unter einer weißen Flagge stand.«
»Und ich werde es bis zum Ende meiner Tage bereuen«, seufzte Hernandez müde. »Leider sah Jesup keine andere Möglichkeit. Er glaubt, er könnte den Krieg beenden, wenn er Osceola in seine Gewalt bringt.« »Damit wird er nicht den Krieg beenden, sondern einen Märtyrer schaffen.«
»Gott verzeihe mir — ich hoffe einfach nur, das Blutvergießen wird für eine Weile aufhören. Was ich getan habe, kann ich nicht vor Ihnen rechtfertigen, James, aber ich gebe Ihnen eine Gelegenheit, im Wald zu verschwinden.«
Entschlossen schüttelte James den Kopf. »Danke, ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Trotzdem muß ich Osceola begleiten.«
»Aber ...«
»Droht mir der Galgen?«
»Nein, man wird Sie zum Renegaten stempeln.«
»Da hat man mir schon schlimmere Dinge vorgeworfen. Nochmals — vielen Dank.«
»Meine Männer werden Ihr Pferd holen ...«
»Nicht nötig, ich gehe lieber.«
An diesem Morgen hat das Militär einen brillanten Erfolg errungen, dachte James. Osceola, der berühmte mico, Coa Hadjo und etwa siebzig Krieger sind gefangen, dazu sechs Frauen, ein paar Neger ... Vermutlich ist schon ein Bote zum Fort Peyton geritten, um General Jesup mitzuteilen, sein betrügerischer Trick habe sich gelohnt.
Von Fanfarenklängen begleitet, erreichten sie die Stadt. Zahllose Menschen drängten sich am Straßenrand, um die Prozession der gefangenen Indianer zu beobachten. Den Blick geradeaus gerichtet, ging James an der Zuschauermenge vorbei.
»Oh, ist das nicht das Halbblut McKenzie?« hörte er eine spöttische Stimme.
»Jetzt zeigt er sein wahres Gesicht. Er ist und bleibt ein Indianer, obwohl sein Bruder ihn in weiße Rüschenhemden steckt.«
»Immerhin hat er auf dem gesellschaftlichen Parkett Aufsehen erregt.«
»Kein anständiger Mann würde seine Tochter in die
Nähe dieses Wilden lassen. Selbst wenn er so reich wie Midas ist!«
»Reich?«
»Die Hälfte der McKenzie-Ländereien gehört ihm.«
»So gut er auch aussieht, er ist nun mal eine primitive Rothaut ...«
Solche Worte hatte er oft genug gehört. Er begleitete die Gefangenen, weil sie seinem Volk angehörten, weil er tun mußte, was er tun konnte. Weder die verächtlichen Blicke, noch die Beleidigungen vermochten ihn zu verletzen. Den Kopf hoch erhoben, setzte er seinen Weg fort.
Und dann sah er sie am Straßenrand.
Sie trug ein blaugeblümtes Kleid. Noch nie war sie ihm so elegant erschienen. Das dunkelrote Haar war zu einem kunstvollen Knoten am Hinterkopf festgesteckt.
An ihrer Seite stand John Harrington, und ihre Hand lag auf seinen Arm.
Irgend etwas an ihr war verändert. Natürlich. James hatte sie zuletzt im Sumpf gesehen, halb nackt, mit flatterndem, offenem Haar. Jetzt war sie wieder die vornehme Dame — und er der Mischling McKenzie, dem sich keine anständige weiße Frau jemals nähern würde. Obwohl ihn das Erbe seines Indianerblutes mit Stolz erfüllte, empfand er tiefe Bitterkeit. Was sein Wesen ausmachte, würde Teela niemals verstehen.
Mitfühlend starrte sie ihn an, dann wandte sie sich ab. Er ertrug ihr Mitleid nicht, die Art, wie sie ihm den Rücken kehrte. Schämte sie sich? Wie fest sie Harringtons Arm umklammerte ...
Ja, sie war verändert
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