Verstrickung des Herzens
Onkel und erkundigte sich nach seiner Familie. Dann berichtete er von Jesups neuesten Maßnahmen. Offenbar hat der General die Regierung um Hilfe bei der Lösung eines Problems gebeten. Er will Indianer rekrutieren, die gegen uns kämpfen sollen — Shawnees, Delawares, Kickapoos, Sioux und Choctaws.« Wenn er mit den Seminolenführern sprach, sagte er stets die Wahrheit, obwohl es Situationen gab, wo er eine Lüge vorgezogen hätte. »Jesup empfiehlt der Regierung, diese Indianer zu bezahlen, damit sie ihre traditionellen Feinde bekämpfen, die Krieger töten, die Frauen und Kinder versklaven.«
»Dann werden wir die Sioux und die Choctaws und alle anderen Feinde genauso in den Tod schicken wie die weißen Soldaten!« stieß Coweta wütend hervor.
»Und wenn immer neue kommen?« entgegnet darauf Osceola.
»Auch die werden wir töten!« rief Wildcat.
»Noch viel mehr werden kommen«, warf James mit ruhiger Stimme ein. »Ein unendlicher Strom.«
Erbost sprang Wildcat auf, ein junger, kraftvoller Mann mit vernarbtem Gesicht. Er trug den Namen >Wildkatze<, weil er als Kind versehentlich einen Panther aufgescheucht und den Kampf überlebt hatte. »Nun sprichst du, als wärst du einer von ihnen — als wolltest du uns veranlassen, alle Forderungen der Weißen zu erfüllen.«
James schüttelte den Kopf. »Noch nie habe ich einen Freund verraten, noch nie gegen mein Volk gekämpft. Ich versuche zu vermitteln und ...«
»Das verstehst du nicht, Running Bear, weil dein Blut unrein und dein Geist befleckt ist.«
James' Augen verengten sich. »Auch in Osceolas Adern fließt >weißes< Blut, und das gilt für viele Männer unserer Generation. Also wirf mir meine Herkunft nicht vor.«
»Oft genug gehört dein Herz den Weißen.«
»Mein Herz schlägt für die Leidenden und Unterdrückten.«
»Aber du beurteilst die Weißen zu milde. Hör mir zu! Sie wollen uns verjagen, und wenn ihnen das mißlingt, werden sie versuchen, uns auszurotten.«
»Nicht alle Weißen hegen diesen Wunsch.«
»Wie auch immer, genau das verlangt die weiße Regierung von ihren Soldaten. Und du kämpfst nur dann auf unserer Seite, wenn dich ein Messer des Feindes bedroht.«
»Niemals würde ich Plantagen angreifen«, erklärte James ärgerlich. »O ja, ich kenne die Not unseres Volkes. Frauen ersticken ihre kleinen Töchter und Söhne, damit sie nicht verhungern, Soldaten schlagen den Kindern die Schädel ein, und ihre Pferde zertrampeln schreiende junge Burschen. Aber eins versichere ich euch — mein weißer Bruder würde nicht mit Männern kämpfen oder Seminolenkinder angreifen. Seine einzige überlebende
Nichte ist eine Seminolin, und meine weiße Schwägerin wagte einmal ihr Leben für meine Familie. Jetzt wohnt meine Tochter bei ihnen und wird liebevoll aufgezogen. Und mein weißer Neffe steht mir genauso nahe. Niemals könnte ich mich an einem Überfall beteiligen, der weißen Kindern das Leben kosten würde. Als meine Seminolenfrau und meine kleine Tochter starben, blieb mein weißer Bruder bei ihnen, während andere vor dem Fieber flohen. Das alles bestimmt meine Handlungsweise. Was immer ich tue oder unterlasse, ich stehe dazu, offen und ehrlich. Willst du mich etwa deshalb einen Verräter nennen?«
»Ich will deine Grundsätze nicht verdammen, Running Bear«, antwortete Wildcat und schlug mit der Faust auf seine Brust. »Aber wir müssen kämpfen, um unsere Lebensart zu erhalten, für die Zukunft unserer Kinder.«
»Natürlich kämpfen wir«, bestätigte Osceola, »Und wir werden weiterkämpfen. Wenn die Soldaten uns folgen, trennen wir uns und weichen ihnen aus. Wir sind nur so weit gekommen, weil sie uns in den geheimen Schlupfwinkeln nicht aufspüren können. Da wir uns nach jedem Kampf verstecken, haben sie bis jetzt nicht gewonnen. Das dürfen wir nicht vergessen.«
»Manchmal muß man reden«, warf Coweta ein. »Jesup hat seine Boten mit weißen Tüchern zu uns geschickt, so daß wir uns seinen Häuptlingen ungefährdet nähern können, wenn wir verhandeln wollen.«
»Im Augenblick gibt es nichts zu sagen.« Osceola stand auf. »Lassen wir den General seinen großen Feldzug planen. Wir werden ihn beobachten und abwarten. Und weiterkämpfen. Was mich betrifft — wenn Running Bear mich bittet, einigen Frauen und Kindern die Kapitulation zu gestatten, wende ich mich nicht gegen die Verzweifelten. Aber an eins muß ich dich erinnern, Running Bear. Einige Familien würden ihre Krieger lieber töten, ehe sie ihnen erlauben, sich
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