Versuchung in blond
Gefühl. Sie erkannte die Bilder, aber es war Wochen her, seit sie sie aufgenommen hatte.
„Hier ist das Gericht”, sagte sie und zeigte darauf. Sie hatte das Gebäude aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen, und fast immer waren Leute auf den Fotos zu sehen. Doch sie wusste, dass nur die letzten Bilder von Interesse waren. „Da sind sie.”
Auf acht Fotos sah man die rechte Seite des Gerichtsgebäudes. In der Seitenstraße
parkten zwei Limousinen. Mehrere Männer in dunklen Anzügen kamen die Hintertreppe
herab. Im Vordergrund des letzten Fotos konnte sie die Schulter des Wachmanns sehen, der sie weggescheucht hatte.
Sie studierte die Bilder sorgfältig, ihr Blick wanderte langsam von einer Person zur nächsten. Es handelte sich um lauter Männer, und bis auf einen waren sie ihr unbekannt.
Dieser eine Mann weckte eine vage Erinnerung in ihr, aber sie kam nicht auf seinen Namen.
„Lass mal sehen.” Jake nahm ihr die Fotos aus der Hand und studierte sie ebenfalls.
Grimmig schüttelte er den Kopf. „Das ergibt keinen Sinn, Sam.”
„Was meinst du damit? Kennst du die Männer?”
Bevor Jake antworten konnte, knallte eine Wagentür hinter ihnen zu. Er schaute in den Rückspiegel und fluchte. „Polizei.”
Der Polizist lächelte sie freundlich an. „Guten Morgen.”
Sam zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln, doch sie spürte, wie sich ihr Pulsschlag beschleunigte. „Guten Morgen, Officer.”
Jake nickte beiläufig und presste die Kiefer so fest aufeinander, dass an seinem Hals eine Ader hervortrat. „Guten Morgen.”
„Ich muss Sie bitten weiterzufahren. Die erlaubte Parkzeit beträgt nur zehn Minuten.”
Sam sah, wie Jake sich entspannte. „Entschuldigen Sie. Wir haben uns nur überlegt, was wir heute Vormittag machen sollen.”
„Ich verstehe.” Der Polizist nickte, noch immer mit freundlichem Gesicht. „Sie sollten zur Südseite des Strands rüberfahren. Dort wird heute ein Agentenfilm gedreht. Ein bisschen Nervenkitzel kann doch nie schaden, oder?”
„Vielen Dank für den Tipp.” Jake startete den Wagen und nickte dem Polizisten zu.
„Einen schönen Tag noch.”
Der Polizist trat zurück, und Jake fuhr weiter. „Glaubst du, dass er Verdacht geschöpft hat?” fragte Sam.
„Falls ja, hätte er uns bestimmt nicht wegfahren lassen.”
„Weißt du, wer das auf den Fotos ist, Jake?”
Statt einer Antwort sagte er: „Sag mir noch mal, wann du diese Fotos aufgenommen
hast.”
„Ich habe es dir gesagt. Vor fünf Wochen. Warum?” Es gefiel ihr nicht, wie er ihrer Frage auswich.
„Kannst du das beweisen?”
„Mein Chefredakteur kann bestätigen, dass ich im Februar in Miami war. Ich hatte ein Flugticket, aber ich weiß wirklich nicht, was das …”
Er unterbrach sie kopfschüttelnd. „Nein. Ich meine, kannst du irgendwie beweisen, dass du diese Fotos wirklich genau zu dem behaupteten Zeitpunkt aufgenommen hast?”
Sie verstand nicht, worauf er hinauswollte. „Ich weiß nicht, wahrscheinlich nicht.
Warum ist das denn so wichtig?”
„Weil einer der Männer auf den Fotos tot ist.”
„Und was hat das mit mir zu tun?”
„Er ist schon seit einer ganzen Weile tot.”
Sie wollte die Antwort eigentlich nicht wissen, aber sie musste einfach fragen. „Seit wann, Jake?”
„Seit über einem Jahr.”
Sam starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. „Das ist unmöglich.“
Jake mochte das Gefühl nicht. Zuerst hatte er sich beim Anblick der Fotos gefragt, ob nicht vielleicht die Drogen Sams Zeitempfinden verändert hatten. Als Nächstes überlegte er, was für eine Art Ding sie da wohl abzog. Wenn er nicht den gefälschten Bericht über ihren Tod gesehen hätte, hätte er ihr wahrscheinlich kein Wort geglaubt. Doch jetzt wusste er, dass selbst das Unwahrscheinlichste mehr als wahrscheinlich war.
„Es ist nicht nur möglich, sondern eine Tatsache. Es ist ein weiterer Trick. Sie haben nicht nur deinen Tod inszeniert, sondern seinen ebenfalls. Die Frage ist nur, warum.”
„Wer ist es, Jake?”
„Carlos Montegna. Hier, der untersetzte Bursche in dem Nadelstreifenanzug.” Er warf Sam einen Blick zu, und als nichts darauf hindeutete, dass ihr der Name etwas sagte, fuhr er fort: „Er ist wahrscheinlich der übelste lateinamerikanische Gangsterboss.”
„Er kam mir gleich bekannt vor. Ich glaube, ich habe sein Foto schon mal irgendwo
gesehen.”
„Sein Steckbrief hing in jeder Polizeiwache zwischen Florida und Kanada. Er hat mit Drogen, Waffen und
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