Versuchung Pur
Eden schwang die Beine vom Bett und ging zum Fenster. Nachtfalter flatterten hektisch gegen das Fliegennetz.
»Du hast Bammel.«
»Mag sein.«
»Eric ist kein Maßstab, Süße.«
»Das weiß ich.« Seufzend drehte Eden sich zu Candy um. »Und ich grüble ja auch nicht mehr seinetwegen oder schmachte ihm hinterher.«
Das knappe Schulterzucken war Candys Art, jemanden auszugrenzen, den sie für einen unwürdigen Wurm hielt. »Weil du nie wirklich verliebt in ihn warst.«
»Ich wollte ihn heiraten.«
»Weil es dir als das Richtige erschien. Eden, ich kenne dich besser als jeder andere. Mit Eric war es so selbstverständlich. Alles hat perfekt ineinandergegriffen. Klick, klick, klick.«
Amüsiert schüttelte Eden den Kopf. »Und was ist daran falsch?«
»Alles. Die Liebe macht dich schwindlig und albern und kopflos vor Sehnsucht. So etwas hast du bei Eric nie verspürt.« Candy sprach aus Erfahrung. Noch bevor sie zwanzig gewesen war, hatte sie sich mindestens ein Dutzend Mal verliebt. »Ja, du hättest ihn geheiratet, wahrscheinlich wärst du sogar zufrieden gewesen. Ihr hattet ähnliche Interessen, euer Geschmack ähnelte sich, eure Familien kamen gut miteinander zurecht.«
Das Lächeln auf Edens Gesicht verschwand. »Bei dir hört sich das so kalt und gefühllos an.«
»Das war es auch. Aber du bist nicht so.« Candy hob die Hände. Hoffentlich war sie nicht zu weit gegangen. »Eden, du bist zu einem bestimmten Benehmen und Leben erzogen worden, und dann ist deine Welt von einem Tag auf den anderen zusammengebrochen. Ich kann wirklich nur vermuten, wie traumatisch das für dich gewesen sein muss. Du hast dich wieder aufgerappelt, und doch hältst du bestimmte Seiten an dir noch immer unter Verschluss. Glaubst du nicht, es wird Zeit, mit der Vergangenheit abzuschließen? Wirklich und endgültig?«
»Das versuche ich ja.«
»Ich weiß.« Candy tätschelte Edens Arm. »Und das Camp und deine Einstellung zur Zukunft sind ein wirklich guter Start. Aber vielleicht solltest du jetzt noch mehr in Angriff nehmen und etwas für dich selbst tun.«
»Ein Mann?«
»Gemeinsame Zeit, gemeinsame Unternehmungen, gegenseitige Zuneigung. Du bist viel zu clever, um einen Mann zu brauchen, damit du im Leben zurechtkommst. Aber alle Männer für immer aus deinem Leben zu verbannen, nur weil einer eine erbärmliche Niete war, ist doch auch nicht das Richtige.« Candy kratzte sich mit Hingabe rote Plakatfarbe vom Fingernagel. »Ich glaube eben immer noch daran, dass jeder Mensch einen Partner braucht.«
»Vielleicht hast du ja recht. Aber im Moment habe ich genug damit zu tun, Scherben aufzusammeln und wieder zu kitten und mich über das Resultat zu freuen. Komplikationen kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Vor allem nicht, wenn sie zwei Meter groß sind.«
»Du warst doch immer die Romantische von uns beiden, Eden. Weißt du noch, die Gedichte, die du geschrieben hast?«
»Da waren wir noch Kinder.« Rastlos ließ Eden die Schultern kreisen. »Ich musste erwachsen werden.«
»Erwachsenwerden bedeutet nicht, dass man aufhört zu träumen.« Candy stand auf. »Hier versuchen wir zusammen, einen Traum zu verwirklichen. Ich wünsche mir, dass du noch andere Träume hast.«
»Wenn die Zeit reif dafür ist.« Gerührt drückte Eden der Freundin einen Kuss auf die Wange. »Wir veranstalten deinen Tanzabend und bezirzen die Betreuer der Jungs.«
»Wir könnten ja auch ein paar Nachbarn einladen …«
»Überspann den Bogen nicht.« Lachend ging Eden zur Tür. »Ich mache noch einen Spaziergang, bevor ich nach den Pferden sehe. Lass ein Nachtlicht an, ja?«
Die Nachtluft war ruhig und doch voller Geräusche. In den ersten Nächten hatte die Stille auf dem Land Eden nervös gemacht. Inzwischen jedoch konnte sie die Nachtmusik hören. Das Zirpen der Grillen, den Schrei der Eule, ab und an das Muhen der Kühe auf der nahe gelegenen Farm vermischten sich zu einer nächtlichen Symphonie, untermalt vom Rascheln kleiner Waldtiere im Unterholz.
Der zunehmende Mond und die funkelnden Sterne am samtschwarzen Himmelszelt untermalten die Idylle mit weichem Licht und dramatischen Schatten. Glühwürmchen stoben wie Funkenregen durch die Luft.
Je näher Eden dem See kam, desto lauter waren das Quaken der Frösche und das leichte Schlagen der Wellen zu hören. Es roch sumpfig, die Luftfeuchtigkeit wurde drückend, und so umrundete Eden den See, hin zu dem kleinen Wäldchen, wo die Luft kühler war.
In Gedanken noch bei dem Gespräch
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