Versuchung Pur
hinter der Mauer hervor, und sie verdrängte hastig selbst dieses kleine Gefühl von Gemeinsamkeit.
Er trug Jeans und T-Shirt, war voller Energie. Auf seinen Armen schimmerte ein feiner Schweißfilm, offensichtlich hatte er schon früh am Morgen gearbeitet. Gegen ihren Willen wurde Edens Blick von seinen Händen angezogen. Starke Hände, fähige Hände und doch so unendlich sanfte Hände, wenn sie eine Frau berührten.
»Guten Morgen, meine Damen.« Er zog das Tor für die Gruppe auf.
»Was für ein Mann!«, hörte Eden eine der Betreuerinnen murmeln. Eden nahm sich Candys Rat zu Herzen und lächelte, was das Zeug hielt.
»Das ist Mr. Elliot, Mädels. Ihm gehört die Apfelplantage, die wir uns heute ansehen. Vielen Dank für die Einladung, Mr. Elliot.«
»Ist mir ein Vergnügen, Miss Carlbough.«
Das zustimmende Geraune unter den Mädchen wurde zu entzücktem Jauchzen, als ein Hund herantrottete und sich an Chases Seite gesellte. Sein Fell hatte die Farben von Aprikosen und schimmerte im Sonnenlicht, als wäre es poliert worden. Mit großen Augen studierte er die Gruppe der Mädchen, bevor er sich an Chases Bein drückte. Ein schmächtigerer Mann wäre vielleicht getaumelt, schoss es Eden durch den Kopf. Der Hund hatte gut einen Meter Stockmaß, er war eher ein junger Löwe als ein Haustier. Als er sich setzte, brauchte Chase sich nicht einmal leicht zu bücken, um die Hand auf seinen Kopf zu legen.
»Das ist Squat. Ob ihr es glaubt oder nicht, er war der Kleinste in seinem Wurf. Er ist noch immer ein wenig schüchtern.«
Candy ließ einen erleichterten Seufzer hören, als sie den massigen Hundeschwanz auf den Boden klopfen hörte. »Aber er ist doch sicher ein freundlicher Hund?«
»Squat hat eine Schwäche für weibliche Wesen.« Chase ließ den Blick über die Gruppe schweifen. »Besonders, wenn sie alle so hübsch sind. Er hofft darauf, dass er die Führung mitmachen darf.«
»Er ist süß.« Roberta hatte ihre Entscheidung sofort gefällt. Sie ging zu dem Hund und streichelte seinen Kopf. »Du kannst mit mir mitkommen, Squat.«
Zufrieden stand der Hund auf und ging voran.
Zum Apfelgeschäft gehörte viel mehr, als Eden sich bis dahin überhaupt vorgestellt hatte. Da gab es mehr, als nur Bäume zu hegen und reife Früchte zu pflücken und diese dann in Körben zum Markt zu transportieren. Weil so viele verschiedene Sorten hier wuchsen, beschränkte sich die Ernte nicht nur auf den Herbst. Die Erntesaison, so erklärte Chase, begann bereits im Frühsommer und zog sich bis in den späten Herbst hinein.
Die Äpfel waren auch nicht allein für den direkten Verzehr bestimmt. Selbst das Gehäuse und die Schale wurden für die Herstellung von Cidre verwendet oder getrocknet und dann für die Herstellung von Saft und bestimmten Sektsorten nach Europa verschifft. Der Duft von reifendem Obst hing über der Plantage und ließ mehr als einem Mädchen das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Der Baum des Lebens, dachte Eden, als ihr das süße Aroma in die Nase stieg. Verbotene Früchte. Sie achtete darauf, immer von einem Kreis Mädchen umgeben zu sein, und rief sich ins Gedächtnis, dass dieser Ausflug allein aus pädagogischen Gründen stattfand.
Chase erklärte jetzt, dass die schnell wachsenden Bäume in fünfzehn Meter Abstand zwischen jenen Bäumen angepflanzt wurden, die mehr Zeit zum Wachsen brauchten, und dann ausgedünnt wurden, sobald mehr Platz nötig war. Ein kühl kalkuliertes Unternehmen, erinnerte Eden sich. Strikt durchorganisiert, um den größtmöglichen Profit zu erzielen und so wenig Arbeitskraft und Ressourcen wie möglich zu verschwenden. Die Romantik der Apfelblüte im Frühling blieb dennoch erhalten.
Unzählige Arbeiter waren mit der Sommerernte beschäftigt. Während sie den Männern und den großen Maschinen zusahen, beantwortete Chase die Fragen der Mädchen.
»Die sehen aber noch gar nicht reif aus«, kam es von Roberta.
»Sie sind ausgewachsen.« Eine Hand auf Robertas Schulter, pflückte Chase einen Apfel vom Baum. »Das, was nach dem Wachstumsprozess am Baum passiert, ist ein chemischer Prozess im Innern des Apfels. Dazu braucht der Apfel den Baum nicht. Das Fruchtfleisch ist noch hart, aber die Kerne im Innern sind schon braun. Sieh her.« Mit einer geübten Bewegung schnitt Chase den Apfel mit einem Taschenmesser in zwei Hälften. »Die Äpfel, die jetzt geerntet werden, sind besser als die, die noch hängen bleiben.« Robertas Miene richtig deutend, gab er ihr die eine
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