Versuchung Pur
Apfelhälfte. Die andere verschlang Squat mit aufgerissenem Maul.
»Vielleicht wollt ihr ja selbst welche pflücken«, fuhr Chase fort und stieß mit dem Vorschlag auf allgemeine Begeisterung. Er streckte den Arm nach oben, um den Mädchen zu zeigen, wie es ging. »Ihr müsst die Frucht vom Stiel drehen. So bricht man den Zweig nicht ab und verliert kein tragendes Holz.«
Bevor Eden überhaupt etwas sagen konnte, waren die Mädchen schon ausgeschwärmt. Jetzt fand sie sich allein mit Chase, ihm direkt gegenüber. Vielleicht lag es daran, wie seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. Vielleicht war es aber auch sein Blick, der warm und bewundernd auf ihr lag. Auf jeden Fall schien ihr Kopf mit einem Schlag völlig leer zu sein.
»Du führst einen faszinierenden Betrieb.« Für die Plattitüde hätte sie sich treten mögen.
»Mir gefällt’s.«
»Ich … äh …« Es musste doch eine Frage geben, eine intelligente Frage, die sie stellen konnte. »Vermutlich muss das Obst schnell vertrieben werden?«
Chase bezweifelte, dass einer von ihnen sich im Moment auch nur einen Deut um Äpfel scherte, aber er war bereit, auf das Spiel einzugehen. »Die Früchte werden sofort nach der Ernte bei null Grad Celsius gelagert. Ich mag es, wie du dein Haar zusammengebunden hast. Es reizt mich, an dem Band zu ziehen und zuzusehen, wie es dir über die Schultern fällt.«
Ein Summen setzte in ihr ein, doch sie tat, als würde sie es nicht hören. »Es gibt sicherlich auch diverse Verfahren zur Qualitätskontrolle.«
»Wir achten auf die Reichhaltigkeit.« Er ließ einen Apfel zwischen den Händen hin- und herwandern, ohne den Blick von Edens Mund zu nehmen. »Auf Geschmack.« Er sah, wie ihre Lippen sich unwillkürlich öffneten, so als fühlte sie ihn auf der Zunge. »Auf Festigkeit«, murmelte er und legte eine Hand an ihren Nacken. »Und Feinheit.«
Ihr Atem stockte, und sie seufzte leise. Fast war es zu spät, bevor sie sich zusammennahm. »Es wäre angebracht, beim Thema zu bleiben.«
»Welches Thema?« Sein Daumen streichelte über ihre Wange.
»Äpfel.«
»Ich möchte mit dir schlafen, Eden. Hier unter den Bäumen, im warmen Sonnenschein, mit dem duftenden Gras im Rücken.«
Was sie am meisten erschreckte, war die Tatsache, dass sie es sich genau vorstellen konnte. Allein, mit ihm … »Wenn du mich dann jetzt entschuldigen würdest.«
»Eden.« Er griff nach ihrer Hand, wohl wissend, dass er zu schnell vorging, sich zu weit vorwagte, zu sehr drängte, und doch konnte er sich nicht zurückhalten. »Ich will dich. Eigentlich viel zu sehr.«
Obwohl er leise sprach, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern war, begannen ihre Nerven zu vibrieren. »Du kannst solche Dinge doch nicht einfach zu mir sagen! Nicht hier. Wenn die Kinder …«
»Geh mit mir essen.«
»Nein.« Sie würde hart bleiben, sagte sie sich. Sie würde sich nicht manipulieren, nicht herumkommandieren lassen. »Ich habe hier eine Aufgabe zu erledigen, Chase, eine, bei der ich im wahrsten Sinne des Wortes vierundzwanzig Stunden im Dienst bin. Selbst wenn ich mit dir essen gehen wollte – was ich nicht will –, wäre es nicht möglich.«
Sicher, es hörte sich vernünftig an. Sachlich. Nüchtern. Aber das taten viele Ausflüchte. »Hast du Angst davor, mit mir allein zu sein? Ich meine, wirklich allein, nur wir beide?«
Die Wahrheit war schlicht und einfach. Eden beschloss, sie zu ignorieren. »Bilde dir nur nichts ein.«
»Die Routine im Camp wird nicht zusammenbrechen, nur weil du mal abends ein paar Stunden nicht da bist. Deine auch nicht.«
»Du weißt nichts über die Routine im Camp.«
»Ich weiß, dass deine Partnerin und die Betreuerinnen durchaus in der Lage sind, die Mädchen zu beaufsichtigen. Und ich weiß, dass du deinen letzten Reitunterricht um vier Uhr nachmittags gibst.«
»Woher …?«
»Ich habe Roberta gefragt«, antwortete er leichthin. »Sie hat mir auch erzählt, dass es um sechs Uhr Abendessen gibt, danach Freizeit oder Aktivitäten nach Wahl von sieben bis neun. Um zehn wird das Licht ausgemacht. Du verbringst deine Zeit nach dem Abendessen meist mit den Pferden. Manchmal reitest du nachts auch aus, wenn du glaubst, dass jeder im Camp schläft.«
Eden öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Was sollte sie darauf schon sagen können?! Sie hatte wirklich gedacht, niemand wüsste von ihren nächtlichen Ausritten. Dass sie allein ihr gehörten.
»Warum reitest du nachts allein aus, Eden?«
»Weil ich es
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