Versuchung
sanfteren Stimme fügte sie
hinzu. „Glaub mir, es geht nicht anders.“
Das konnte doch
nicht ihr Ernst sein?! Natürlich ging es anders. Niemand würde sterben müssen. Doch
Banshee hielt mich weiterhin fest, sodass ich zusehen musste, wie Devil und
Marid aufeinander zugingen, die Schwerter klirrten und der Kampf losbrach.
Ich versuchte,
gegen Banshees Griff anzukommen, mich loszureißen. Schließlich mussten die
beiden doch gar nicht kämpfen. Doch als ich in ihre Augen sah und den Blick
darin erkannte, wurde mir klar, dass sie recht hatte. Ich gab nach und Angst
schnürte sich um mich, während das Bild vor mir zu verschwimmen begann.
Ich sah Marid, wie er
als Kind nachts in seinem Bett wach lag, und hörte seine Gedanken. Sie drehten
sich allesamt um Banshee, um seine Gefühle zu ihr. Er litt so entsetzlich
darunter, dass er sie an diesen fremden Jungen verloren hatte. Verzweifelt
suchte er nach einem Ausweg, überlegte, wie er sie zurückgewinnen konnte …
Ein heiß glühender
Schmerz durchschnitt mein Herz und ich spürte, wie mir Tränen die Wangen
hinabliefen. Es war die Nachricht vom Tod seines Vaters. Ich keuchte heftig und
versuchte, unter dieser entsetzlichen Qual nicht zu zerspringen. Es war kaum
auszuhalten. Wären die Kaiserin und der Occasus nur nicht geflohen … Wie konnte
er seine eigene Welt im Stich lassen und die Leute töten, die ihn beschützt
hatten?! Ich spürte die rasende Wut, die Verzweiflung und schließlich den alles
verzehrenden Hass, als Marid erfuhr, dass ausgerechnet Devil ihm auch Banshee
entrissen hatte. All das setzte sich wie ein Puzzle zusammen und er sah
plötzlich vollkommen klar: Devil war Abschaum, die Legende eine Lüge. Wie
sollte man an jemanden glauben, der einem die Liebe stahl, seine Welt im Stich
ließ und die eigenen Leute vernichtete?! Jeder sollte sehen, was er in
Wirklichkeit war, was er alles angerichtet hatte.
Ich spürte, wie die
Jahre dahinzogen, wie sehr er litt und wie sich seine Gefühle in seine Seele
hineinbrannten. Er war in all der Zeit ganz auf sich allein gestellt. Seine Mutter
war nicht in der Lage, den Tod ihres Mannes zu überwinden, und beachtete ihren
Sohn fortan nicht mehr. Sie war in ihrem eigenen Unglück und Leid gefangen. So
wuchs er allein auf, getrieben von nichts anderem als blankem Hass und
Rachedurst. Als er alt genug war, schloss er sich der kaiserlichen Armee an. Er
wollte Chamus Velmont dienen, für den er aufrichtige Loyalität empfand.
Immerhin war dieser ebenfalls aufs Schändlichste betrogen worden.
Erst hier erfuhr
er, dass Devil nicht freiwillig geflohen, sondern von seiner Mutter entführt
worden war. Nur kam diese Erkenntnis zu spät. Sein Hass hatte sich so sehr in
ihn hineingebrannt, dass es keine Rolle mehr spielte.
Devil hätte sein
Schicksal annehmen und seine Aufgaben ernster nehmen müssen. Dann wäre es nie
zu Liliths Flucht gekommen. Es war ganz allein seine Schuld! Er hätte nach der
Entführung einfach nur zurückkommen müssen. Doch stattdessen hatte er in Necare
ein neues Leben begonnen, als ginge ihn seine Vergangenheit nichts mehr an. Er
hatte Incendium im Stich gelassen!
Darum hielt Marid
an seinem Vorhaben fest. Er trainierte, schmiedete Pläne und bereitete sich auf
den Tag vor, an dem Devil zurückkehren würde. Er war sich sicher, dass dieser
früher oder später kommen würde, und dann wäre er bereit, ihm den Untergang zu
bringen.
Langsam fand ich in
die Wirklichkeit zurück, während all diese fremden Gedanken und Gefühle nur
schwerlich von mir abließen. Sie taten entsetzlich weh, zumal sie vollkommen meinen
eigenen Empfindungen widersprachen. Noch nie zuvor hatte ich solch eine klare
und ausführliche Vision gehabt. Entwickelten sich meine Kräfte allmählich
weiter?
Keiner schien etwas
bemerkt zu haben, was mir nur recht war. Niemals wollte ich darüber sprechen.
Diese Gefühle waren so dunkel und abscheulich. Und trotz allem konnte ich ihn
verstehen.
Die beiden kämpften
noch immer gegeneinander und ich begriff endlich, dass es so hatte kommen
müssen. Er hasste Devil viel tiefer, als ich bisher angenommen hatte. Nichts
und niemand würde ihn von seinem Vorhaben abbringen können. Er würde immer
hinter ihm her sein und versuchen, ihn zu töten. Marid war ein Feind, ein gefährlicher
Feind sogar, und es gab keinen anderen Weg, sich vor ihm in Sicherheit zu
bringen, als ihn auzulöschen. Ich spürte, wie meine Hände zitterten. Es war
grauenhaft, das
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