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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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doch das meiste verschwand in den privaten Sammlungen der Besatzungsmitglieder. Es spielt keine Rolle, welchen Zweck ein Artefakt einst erfüllt hat, warum es hergestellt worden ist und wann es benutzt wurde. Es ist unwichtig, wie sein ursprünglicher Besitzer gelebt hat. Es ist vollkommen egal, was es letztlich darstellt, was es über die Kultur aussagt, die es schuf und benutzte. Es ist eine Rarität, Tand, Dekoration, irgend etwas Nettes und Hübsches – und einen anderen Zweck braucht es auch gar nicht zu erfüllen. Wenn Jenny und Paul die Ilium verließen, besaßen sie sicher ihre eigenen Stapel an Schätzen, jedes einzelne Teil liebevoll und mit eigener Hand vom Meeresgrund gestohlen.
    Ich kümmerte mich nicht um die Unsterblichen und ihr Plündern und begann damit, die Aufnahmewinkel der Holokameras zu justieren. Ich war gerade fertig damit, als Tobias meldete, daß sie den Safe aufgebrochen hatten, und ich schwamm hinüber, um ihn mir anzusehen.
    Es handelte sich um einen großen Safe, und er war im rückwärtigen Bereich des Hauptbüros untergebracht. Die Wände des Zimmers ringsherum wiesen viele Risse auf, und Beton bröckelte in großen Fladen ab. Die harten Metallflanken des Safes aber waren unbeschädigt. Er war wie ein unüberwindliches, rechteckiges Bollwerk, das sich inmitten der zerfallenden Flächen und Winkel des Büros dem Zahn der Zeit entgegenstemmte. Während der Großen Formung mußte der Raum so sehr erschüttert worden sein, daß sich die schwere Tür in ihren Angeln verzogen hatte, und dadurch war Wasser in den Safe eingedrungen. Paul und Jenny schwebten auf der einen Seite. Der Arbeitsservo verstaute seine Werkzeuge, und ein zweiter Roboter riß die Tür aus den Angeln und legte sie auf den Boden. Ich hob meinen Gürtelschirm, als der erste Servo in den Safe hineinschwamm und mit der Bildübertragung begann.
    „Ich glaube, wir haben kein Glück“, sagte Tobias. „Kästen, irgendwelche Sachen auf den Regalen, ein paar Dinge auf dem Boden. Es kann nicht sehr viel hier drin gewesen sein, als das Hotel überschwemmt wurde.“
    „Nun, sehen Sie sich trotzdem alles genau an“, verlangte Greville, und die geheuchelte wissenschaftliche Sachlichkeit war vollkommen aus seiner Stimme verschwunden. „Da muß doch irgend etwas Wertvolles zu finden sein.“
    Die Servos begann damit, diverse Sachen aus dem Safe zu schleppen und sie in ein Ergnetz zu laden. Ich entdeckte nichts, was mir interessant erschien, und so verließ ich den Raum.
    „Greville, ich werde mir einige der anderen Gebäude ansehen“, kündigte ich per Funkgerät an.
    „Nehmen Sie einen Servo mit“, gab er ganz automatisch und überflüssigerweise zurück. Ich antwortete ihm nicht darauf, aber als ich das Hotel verließ, übermittelte ich einem der draußen wartenden Roboter den Befehl, mir zu folgen, und ein kurzer Düsenstoß brachte mich empor, bis ich über den unteren Gebäudeflügel hinwegsehen konnte.
    Zehn Meter tiefer bestand das Spektrum nur noch aus Blau- und Grauschattierungen. Ich schwebte in einer gespenstischen Welt des gedämpften Lichts, in einem Kosmos von der Farbe flüssiger Asche und schwebenden Staubs. Die Unsterblichen schalteten natürlich sofort die Scheinwerfer ein, sobald sie die Bereiche nahe der Oberfläche hinter sich zurückließen, und damit erweckten sie die Rot-, Gelb- und Grüntöne des Spektrums wieder zum Leben. Doch je tiefer sie tauchten, desto weniger sahen sie von dem, was sich außerhalb der Lichtkegel befand. Bevor ich losgeschwommen war, hatte ich aus dem Fenster des Hotels hinausgeblickt und den Eindruck gewonnen, ich verließe eine Welt des Lichts und glitte in Schwärze hinein. Doch diese Illusion löste sich auf, sobald ich weit genug von den Scheinwerfern entfernt war und das natürliche Licht des Meeres den trüben Schimmer hinter mir überdeckte. Ich starrte durch das düstere Wasser und entdeckte einen großen Schatten, der sich bei näherem Hinsehen als ein zweites Hotel erwies, das nicht annähernd so gut erhalten war wie das erste. Ich wandte mich davon ab, und zwei starke Stöße mit den Flossen genügten, um mich ohne Düsenschub auf die überfluteten Buckel des Bergrückens der Insel zugleiten zu lassen. Ich schwamm langsam höher, folgte dem ansteigenden Boden und achtete darauf, daß ich immer einen Meter über dem Meeresgrund blieb. Unter mir lag eine rissige und aufgebrochene Straße, die nur dadurch zu erkennen war, weil sie ein kleines, flaches Tal bildete

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