Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
Vom Netzwerk:
ins Wasser, ganz gelassen, als sei sie schon unzählige Male zuvor getaucht. Als die drei Unsterblichen aus dem Schacht heraus waren, schloß ich die Tauchermaske, drehte das Ventil der Tanks auf und sprang in die Kühle des Ozeans hinein.
    Das Meer machte mir Platz, preßte sich an das Schwarz meiner vermeintlichen Haut, hob mich an und neutralisierte das Gewicht des Bleigürtels, der an meiner Taille befestigt war. Ich trat mit den Beinen, und der Schub der Flossen stieß mich tiefer hinab. Ich spürte, wie der erste Druck auf Bauch und Beine nachließ – eine stumme Billigung des Ozeans. Das All und das Meer haben viel gemeinsam: Beides ist uns fremd, nicht unser Element. Beide konfrontieren uns mit Mysterien und Gefahren, mit plötzlichen Schönheiten, die in ihrem eigenen Wesen begründet sind und jenseits unserer landgebundenen Erfahrung liegen. Aber das All ist eine unendliche Weite, die das Nichts umfaßt, ein Vakuum, eine Leere aus unermeßlicher Einsamkeit und gelegentlicher Transzendenz. Das Wasser jedoch ist ein Reservoir des Lebens, und dieses Leben verbirgt sich nicht, es flutet einem entgegen, wenn man durch die kühle Tiefe des Meeres gleitet: große und kleine Geschöpfe, wunderschön oder verblüffend grotesk, ganz der ökologischen Nische entsprechend, an die sie angepaßt sind, Unterwasserwälder und kleine Gärten, Wesen, die in dem Reich zwischen den einzelnen Lebenssphären zu Hause sind – Felsen, die sich als lebende Geschöpfe herausstellen, und Kreaturen, die aus Stein bestehen, Pflanzentiere, Tierpflanzen und plötzlich aufschimmernde, herrliche und atemberaubende Juwele, die einen Regenbogenschweif hinter sich herziehen, davonhuschen und zwischen sich wiegenden Farnblättern verschwinden. Sie hinterlassen funkelnde Rätsel, denen man zwar nachzugehen vermag, die man aber nie ganz lösen oder begreifen kann.
    Dem All ist es völlig gleichgültig, ob man da ist oder nicht, und der Überlebenskampf zwischen den Welten ist gegen die Leere selbst gerichtet, dagegen, nicht vom Vakuum aufgesogen und vom Ultimaten Nichts vereinnahmt zu werden. Der Weltraum ist unerbittlich in seiner Interesselosigkeit: Er tötet Leben durch seine Existenz allein, und er zermalmt den Menschen, indem er ihm das Wissen um seine Gleichgültigkeit vermittelt. Das Meer aber ist nicht apathisch. Es reagiert und verändert sich mit der An- oder Abwesenheit des Menschen; es macht seine eigenen unerbittlichen Gesetze deutlich, doch nur einen Augenblick später liefert es das Musterbeispiel einer Ausnahme von diesen Regeln und läßt ihn unbehelligt durch seine nassen Arme gleiten. Man akzeptiere seine Fremdartigkeit, und der Ozean eröffnet sich dem Besucher, bietet seine Freiheit und Schönheit dar und gewährt einen Einblick in seine Andersartigkeit. Mischt sich jedoch Furcht in das Staunen, dann wird aus der Schönheit der Tiefe plötzlich das bedrohliche Beben entfernter Pflanzen, das erschreckende Zucken massiver Schwärze zwischen den Felsen.
    Hier, nahe der Oberfläche, schimmerte die Welt des Wassers in hellem Licht und vielen Farben. Ich fing Jennys Blick ein und deutete hinauf. Daraufhin hob sie den Kopf und betrachtete die wogende Decke der funkelnden See. Paul starrte mürrisch in die Dunkelheit hinab.
    Langsam ließen wir die oberen Bereiche hinter uns und glitten tiefer, und die Servos folgten uns wie treuergebene Wächter. Ich betätigte die Düsen und verkürzte den Abstand zwischen Jenny und mir. Sie schwebte weich im Zentrum ihrer Sphäre aus Luft, und sie drehte dauernd den Kopf und versuchte, die 360 Grad ihrer Umgebung auf einmal zu erfassen. Paul schwamm vor ihr und erschrak, als ein großer Speer fisch verächtlich an ihm vorbeiglitt, und er entspannte sich erst wieder, als der große Meeresbewohner außer Sicht war. Ich drehte mich leicht auf die Seite und entdeckte Tobias, der bereits die Ruinen unter uns ins Auge faßte. Zwei der Servos sausten in die Tiefe, als er das entsprechende Signal gab.
    „Haben Sie schon Sichtkontakt?“ erkundigte sich Greville in einem Tonfall, der so wissenschaftlich wie möglich klang.
    „Ja, sieht aus wie ein Hotel“, berichtete Tobias, als wir uns den Gebäuden näherten. „Ganz unten sind einige hellere Flecken zu erkennen, bei denen es sich um Swimmingpools gehandelt haben könnte. Und hier sind eine Menge Fenster. Alle zerbrochen. Viel Schlamm. Müssen ursprünglich etwa zehn bis zwölf Etagen gewesen sein; das Erdgeschoß ist doppelt so hoch wie die

Weitere Kostenlose Bücher