Versunkene Inseln
im Stupor {2} , die Gedanken durchtränkt von glänzenden Bildern, von Gerüchen und Geräuschen, von Geschmacksandeutungen und Berührungen, den Körper sorgfältig an die Lebenserhaltungssysteme angeschlossen. Die Stadt der Träume liefert stetige Euphorie, eine unveränderliche Ekstase, verlockend, erhaben, stumm.
Natürlich hätte ich am Hafen außerhalb der Stadt, am großen Scheideweg zwischen Europa und Asien, bleiben können und mich nicht nach Istanbul hineinwagen müssen. Doch ich schulterte den Rucksack und nahm den Hüpf er zur Stadt. Welcher Unsterbliche brauchte Träume nötiger als ich? Für wen waren ständige Induktionsillusionen vorteilhafter als für mich? Oh, ich war jung und töricht und verzweifelt, und ich nahm die erste Fluchtmöglichkeit wahr, die sich mir bot.
Ich konnte mein Elend nicht sofort tilgen lassen, da die Betten alle belegt waren, und ich mußte zwei Tage warten, bis ein Platz für mich frei wurde. Jeden Morgen entfloh ich dem kühlen Frieden meines Hotels, frühstückte mit Kaffee und Kuchen in einem Cafe, wanderte dann durch die ganze Stadt, betrachtete die neuen Altbauten und Straßen, blickte aufs Meer hinaus und die ferne Küstenlinie. Ich ging den Unsterblichen aus dem Weg, da ich halb befürchtete, daß sie mein Geheimnis erkennen konnten, daß sich die häßlichen, unbesiegbaren Zeichen des Alterns bereits in mein Gesicht fraßen. Ich hüllte mich trotz der Hitze in hautenge Kleidung; mein Kopf war immer gesenkt, der Leib ständig gespannt.
Als es soweit war, lag ich nackt auf einer broschierten Liege und trank den Schlafnektar aus einem kristallenen Kelch. Ich wußte, was geschah, war ich erst eingeschlafen: Sie würden mich auf der Schwebcouch in die Traumkammer schieben, die Schläuche und Kabel des Lebenserhaltungssystems an mir befestigen und, wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, die Traumdroge in meine Venen leiten. Ich war mehr als bereit.
Drogenträume sind schillernd und eindrucksvoll, aber sie verblassen rasch. Ich kann mich nicht an die Details meiner Visionen erinnern, auch nicht genau daran, in welches Zauberland sie mir Zutritt gewährten. Geblieben ist nur das Bild einer schimmernden Welt der Wunder, eines exotischen Gartens mit Früchten aus Phantasie und imaginären Geschöpfen, eines Eden, das ich erschaffen hatte und in dem mein Leben keinen Beschränkungen unterworfen war. So leicht und angenehm, den Rest meines Lebens in diesem ganz persönlichen Paradies zu verbringen und meinen Körper, ohne bei Bewußtsein zu sein und es zu fühlen, in den Tod hinübergleiten zu lassen. Eine so süße und reizvolle Vorstellung.
Doch ich konnte mich nicht dazu überwinden. Wie intensiv die Ekstase auch sein mochte, wie verlockend die Visionen waren – irgendeine schrille, rebellierende Stimme in meinen Gedanken rief mir zu, es sei nur ein Traum, nicht wirklich, ohne Substanz. Eine Illusion. Ein Trugbild. Und ich konnte sie nicht ersticken, die Stimme, die mich durch die Labyrinthe meiner Visionen verfolgte.
Nach Ablauf meiner achtundvierzig Stunden lösten sie mich aus dem Verbund der Lebenserhaltungssysteme, holten mich aus den Träumen in die Wirklichkeit zurück und fragten, ob ich erneut das Land der Visionen besuchen wollte. Ich lehnte dankend ab, schnallte mir den Rucksack um und kehrte Istanbul und den Träumen den Rücken.
Aber nicht, weil das mein Wunsch gewesen wäre.
12
Ich steuerte meinen abgenutzten Wagen rückwärts die Zufahrtrinne hinab in die Garage hinein und entdeckte einen Hüpf er, der an der Tür geparkt war. Seltsam. Wer sollte mich hier besuchen? Dann sah ich das Chrom, die Dellen in den hinteren Tragflächen, die
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