Verteidigung
Lust auf ein Gespräch mit einem Anwalt, noch dazu einem Unbekannten, und sagte rundheraus, sie wäre dem anderen Anwalt lieber nie begegnet. Nachdem sie abrupt aufgelegt hatte, wartete Shaw eine Stunde und versuchte es dann noch einmal.
Er ließ sich nicht von ihrem misstrauischen »Hallo?« abhalten. »Wissen Sie, dass Ihr eigener Anwalt Ihre Klage abweisen lassen will?«, fragte er. Als sie nicht sofort antwortete, redete er weiter. »Ms. Klopeck, mein Name ist Bart Shaw. Ich bin Anwalt und vertrete Menschen, die von ihren eigenen Anwälten übers Ohr gehauen worden sind. Verletzung der Anwaltspflichten, das ist mein Fachgebiet. Ihr Anwalt, Wally Figg, versucht, sich aus Ihrem Fall herauszuwinden. Ich denke, eine Klage gegen ihn hätte gute Aussichten auf Erfolg. Er hat eine Berufshaftpflichtversicherung, und Sie haben möglicherweise Ansprüche gegen ihn.«
»Das habe ich alles schon mal gehört«, sagte sie leise.
Shaw war Meister in diesem Spiel, und während der nächsten zehn Minuten redete er ununterbrochen. Er schilderte den Antrag auf Abweisung und Wallys Versuch, nicht nur sie, sondern noch sieben andere Mandanten loszuwerden.
»Aber er hat mir doch eine Million Dollar versprochen«, sagte sie, als sie schließlich zu Wort kam.
»Versprochen?«
»Ja, hat er.«
»Das verstößt gegen sämtliche Standesregeln, aber mit solchen Skrupeln hält sich Mr. Figg wohl nicht auf.«
»Ziemlich schmierig ist er schon.«
»Was war denn das für ein Versprechen?«
»Hier bei mir am Küchentisch hat er mir eine Million Dollar versprochen, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Dann hat er es mir noch schriftlich gegeben.«
»Was hat er? Sie haben das schriftlich?«
»Vor einer Woche oder so habe ich einen Brief von Figg bekommen. Da stand drin, dass bei dem Vergleich zwei Millionen rauskommen würden, also viel mehr als die eine Million, die er mir versprochen hat. Den Brief habe ich hier. Was ist mit dem Vergleich? Wie heißen Sie noch?«
Shaw redete eine Stunde lang am Telefon mit ihr, und am Ende des Gesprächs waren beide erschöpft. Danach war Millie Marino an der Reihe, und da sie nicht mit Medikamenten vollgepumpt war, erfasste sie die Lage viel schneller als die arme Iris. Sie hatte keine Ahnung, dass der Vergleichsplan gescheitert und die Abweisung der Klage beantragt worden war; mit Wally hatte sie seit Wochen nicht gesprochen. Wie Iris riet Shaw auch ihr davon ab, sofort Kontakt mit Wally aufzunehmen. Das würde Shaw selbst zum richtigen Zeitpunkt tun. Millie war von dem Gespräch und der Wendung der Ereignisse so erschüttert, dass sie sagte, sie müsse erst ihre Gedanken ordnen.
Adam Grand brauchte keine Bedenkzeit. Er fing sofort an, Wally zu verfluchen. Wie konnte die kleine Ratte versuchen, die Klage abweisen zu lassen, ohne es ihm auch nur zu sagen? Sein letzter Stand war, dass es einen Vergleich über zwei Millionen geben sollte. Ja, selbstverständlich sollte es Figg an den Kragen gehen. »Wie hoch ist denn seine Berufshaftpflichtversicherung?«
»Das Standardlimit ist fünf Millionen, aber es gibt die verschiedensten Policen«, erklärte Shaw. »Das werden wir bald genauer wissen.«
Die fünfte Kanzleibesprechung fand an einem Donnerstagabend nach Einbruch der Dunkelheit statt, und Rochelle schwänzte. Noch mehr schlechte Nachrichten würde sie nicht verkraften, und an der aussichtslosen Situation konnte sie ohnehin nichts ändern.
Der Brief von Bart Shaw war am Nachmittag eingetroffen und lag nun mitten auf dem Tisch. Nachdem er erläutert hatte, er befinde sich »in Gesprächen mit sechs Ihrer Mandanten im Krayoxx-Verfahren, unter anderem mit Ms. Iris Klopeck«, stellte er klar, dass ihn bisher keiner der sechs verpflichtet habe. Noch nicht. Allerdings sei er, Shaw, sehr beunruhigt über die Versuche von Finley & Figg, sich der Fälle zu entledigen, ohne die Mandanten auch nur zu informieren. Ein solches Verhalten verstoße gegen jegliche Standesregeln. Mit gestelzten, doch unmissverständlichen Worten belehrte er die Kanzlei erstens über ihre moralische Pflicht, die Interessen ihrer Mandanten mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen, zweitens über ihre Pflicht, ihre Mandanten über alle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, drittens über standeswidrige Zahlungen von Vermittlungsprovisionen an Mandanten, viertens über ausdrückliche Zusicherungen eines günstigen Ausgangs, um Mandanten anzulocken, und so weiter und so fort – die Liste war lang. Er warnte in strengem
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