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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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der Zeitung an ihrem Schreibtisch gemütlich und versuchte, ihn zu ignorieren.
    »Gestern Abend habe ich Davids Frau kennengelernt«, sagte Wally. »Sehr hübsch und sehr nett. Sie sagte, er würde nicht übermäßig trinken, hin und wieder vielleicht mal einen zu viel. Ich glaube, manchmal setzt ihm der Druck zu. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Es ist immer der Druck.«
    Wenn Wally trank, brauchte er keine Entschuldigung. Er soff wie ein Loch, wenn der Tag anstrengend gewesen war, und trank Wein zum Mittagessen, wenn der Tag gut lief. Er trank, wenn er unter Stress stand, und er trank auf dem Golfplatz. Rochelle bekam alles mit. Außerdem führte sie eine Liste – einundsechzig Tage ohne Alkohol. Das war die Geschichte von Wallys Leben – immer wurde etwas gezählt. Die Tage ohne Alkohol. Die Tage, bis er seinen Führerschein wiederbekam. Die Tage, bis seine Scheidung durch war. Leider auch die Tage, bis er aus der Suchtklinik kam.
    »Wann hat sie ihn geholt?«, fragte sie, ohne den Blick von der Zeitung zu nehmen.
    »Nach acht. Er ist ohne Hilfe hier rausgegangen, hat sogar gefragt, ob er fahren kann. Sie sagte Nein.«
    »War sie sauer?«
    »Sie hat’s eigentlich ganz locker genommen. Vermutlich war sie so erleichtert, dass ihr alles andere egal war. Die große Frage ist natürlich, ob er sich an etwas erinnern wird. Und wenn, stellt sich die Frage, ob er uns wiederfindet. Wird er tatsächlich die Kanzlei verlassen und auf das große Geld verzichten? Ich habe meine Zweifel.«
    Auch Rochelle hatte ihre Zweifel, doch sie versuchte, ihre Unterhaltung auf das Nötigste zu beschränken. Finley & Figg war nicht der richtige Ort für einen Anwalt mit Harvard-Abschluss, und offen gestanden wollte sie nicht, dass ein dritter Anwalt ihr das Leben schwer machte. Sie hatte mit den beiden Partnern schon alle Hände voll zu tun.
    »Ich könnte ihn gut gebrauchen«, fuhr Wally fort, und Rochelle wusste sofort, dass er wieder etwas ausgeheckt hatte. »Haben Sie mal von einem Medikament namens Krayoxx gehört?«
    »Haben Sie mich bereits gefragt.«
    »Krayoxx verursacht Herzinfarkte und Schlaganfälle, und das kommt jetzt allmählich ans Licht. Die erste Klagewelle geht gerade los, es könnten Zehntausende Fälle werden, bevor es vorbei ist. Die auf Sammelklagen spezialisierten Kanzleien sind ganz aus dem Häuschen. Gestern habe ich mit einer großen Kanzlei in Fort Lauderdale gesprochen. Sie haben schon eine Sammelklage eingereicht und suchen nach weiteren Fällen.«
    Rochelle blätterte eine Seite um, als hätte sie nicht zugehört.
    »Jedenfalls werde ich in den nächsten Tagen nach weiteren Krayoxx-Fällen suchen, und dafür könnte ich etwas Hilfe gebrauchen. Ms. Gibson, hören Sie mir eigentlich zu?«
    »Natürlich.«
    »Wie viele Namen sind in unserer Mandantenkartei, sowohl aktiv als auch abgeschlossen?«
    Rochelle aß einen Löffel Joghurt und tat genervt. »Wir haben etwa zweihundert aktive Fälle.«
    Bei Finley & Figg war ein aktiver Fall nicht zwangsläufig ein Fall, der auch bearbeitet wurde. Meistens handelte es sich schlicht um einen vernachlässigten Fall, bei dem sich niemand die Mühe gemacht hatte, ihn abzuschließen. Wally hatte in der Regel etwa dreißig Fälle, die er im Laufe einer Woche immer mal wieder zur Hand nahm – Scheidungen, Testamente, Nachlässe, Alkohol am Steuer, kleinere Vertragsstreitigkeiten –, und weitere fünfzig, die er geflissentlich ignorierte. Oscar, der eher bereit war, einen neuen Mandanten anzunehmen, und auch etwas besser organisiert, hatte etwa einhundert offene Fälle. Dazu kamen ein paar, die verlegt, versteckt worden oder verloren gegangen waren, sodass es immer um die zweihundert aktive Fälle waren.
    »Und abgeschlossene?«
    Ein Schluck Kaffee, ein genervtes Stöhnen. »Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, stand im Computer, dass seit 1991 dreitausend Fälle abgeschlossen wurden. Was oben ist, weiß ich nicht.«
    Oben war der »Friedhof«, das Lager für alles Mögliche – alte Jurabücher, veraltete Computer und Textverarbeitungssysteme, unbenutztes Büromaterial und Dutzende Kartons mit Fällen, die Oscar abgeschlossen hatte, bevor Wally als Juniorpartner in die Kanzlei gekommen war.
    »Dreitausend«, sagte Wally mit einem zufriedenen Grinsen, als wäre diese Zahl ein eindeutiger Beweis für eine lange, erfolgreiche Karriere. »Mein Plan sieht folgendermaßen aus: Ich habe einen Brief aufgesetzt, den ich auf dem Briefpapier der Kanzlei ausdrucken werde. Er

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