Verteidigung
viele von denen gehen raus?«
»Dreitausend. Unsere gesamte Mandantenkartei.«
»Was? Denk an das Porto. Denk an die vergeudete Zeit. Es ist doch immer das Gleiche. Den gesamten nächsten Monat wird es nur um Krayoxx hier und Krayoxx da gehen, und du wirst Hunderte Stunden damit vertun, nach wertlosen Fällen zu suchen, und so weiter und so weiter. Das hatten wir doch alles schon mal. Wally, ich bitte dich: Tu etwas Produktives.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel irgendwo in einer Notaufnahme warten, bis ein echter Fall hereinkommt. Ich muss dir doch nicht sagen, wie man gute Fälle findet.«
»Ich bin diesen Scheiß leid, Oscar. Ich will endlich Geld verdienen. Wir sollten zur Abwechslung mal in größeren Dimensionen denken.«
»Meine Frau nimmt Krayoxx seit zwei Jahren. Sie ist begeistert davon.«
»Hast du ihr gesagt, dass sie aufhören soll? Dass das Zeug tödlich ist?«
»Natürlich nicht.«
Als ihre Stimmen immer lauter wurden, schlich Rochelle zu Oscars Büro und machte die Tür leise zu. Sie war gerade wieder auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch, als die Eingangstür geöffnet wurde. Es war David Zinc, nüchtern, mit einem breiten Lächeln, einem schicken Anzug, einem Kaschmirmantel und zwei zum Bersten vollgestopften Aktenkoffern.
»Na, wenn das nicht Mr. Harvard ist«, sagte Rochelle.
»Ich bin wieder da.«
»Überrascht mich, dass Sie uns wiedergefunden haben.«
»Es war nicht leicht. Wo ist mein Büro?«
»Lassen Sie mich einen Moment überlegen … Ich glaube, wir haben gar keines für Sie. Vielleicht sollten Sie sich besser mit den beiden Chefs darüber unterhalten.« Sie wies mit dem Kopf auf Oscars Tür, hinter der laute Stimmen zu hören waren.
»Sie sind also da?«
»Ja. Für gewöhnlich beginnen sie den Tag damit, sich zu streiten.«
»Verstehe.«
»Harvard, hören Sie mal: Wissen Sie eigentlich, was Sie da tun? Das hier ist eine völlig andere Welt. Sie verlassen die Glitzerwelt des Wirtschaftsrechts und spielen ab jetzt in der Provinzliga. Sie könnten hier einiges abbekommen, und Geld verdienen werden Sie mit Sicherheit nicht.«
»Für eine große Kanzlei habe ich schon gearbeitet, Ms. Gibson, und eher springe ich von einer Brücke, als dorthin zurückzugehen. Geben Sie mir einfach ein kleines Zimmerchen für mich und meine Sachen, dann sehen wir weiter.«
Die Tür ging auf, und Wally und Oscar kamen heraus. Sie erstarrten, als sie David vor Rochelles Schreibtisch stehen sahen.
Wally lächelte. »Guten Morgen, David. Sie sehen aber erstaunlich munter aus.«
»Danke. Ich würde mich gerne für meinen Auftritt gestern entschuldigen.« Während er sprach, nickte er allen drei zu. »Sie haben mich am Ende einer etwas ungewöhnlichen Episode erlebt, aber es war trotzdem ein ungemein wichtiger Tag in meinem Leben. Ich habe bei der großen Kanzlei gekündigt, und jetzt bin ich hier und möchte gleich anfangen zu arbeiten.«
»Was für eine Art von Arbeit haben Sie sich denn vorgestellt?«, fragte Oscar.
David zuckte leicht mit den Achseln, als hätte er keine Ahnung. »In den letzten fünf Jahren habe ich im Kerker der Anleiheemissionen geschuftet, mit dem Schwerpunkt auf zweit- und drittrangigen Sekundärmarkt-Spreads, hauptsächlich für multinationale Unternehmen aus dem Ausland, die ihre Steuern lieber woanders in der Welt zahlen. Wenn Sie jetzt keine Ahnung haben, was das ist, brauchen Sie sich deshalb keine Gedanken zu machen. Das weiß sowieso niemand. Es bedeutet, dass ein kleines Team von Idioten fünfzehn Stunden am Tag in einem fensterlosen Raum sitzt und Papier, Papier, Papier produziert. Ich habe noch nie einen Gerichtssaal von innen gesehen, ich war noch nicht einmal in einem Gerichtsgebäude, ich habe noch nie einen Richter getroffen, wenn er seine Robe trägt, und ich habe noch nie jemandem geholfen, der einen richtigen Anwalt brauchte. Um Ihre Frage zu beantworten, Mr. Finley: Ich mache alles. Betrachten Sie mich als Anfänger, der gerade seinen Abschluss in Jura gemacht hat und im Dunkeln nicht mal seinen eigenen Hintern findet. Aber ich lerne schnell.«
Als Nächstes wären die Gehaltsverhandlungen an der Reihe gewesen, doch die Partner wollten in Rochelles Anwesenheit nicht über Geld reden. Sie würde natürlich der Meinung sein, dass jeder, den sie einstellten, Anwalt oder nicht, weniger bekommen sollte als sie.
»Wir haben oben noch etwas Platz«, sagte Wally.
»Ich nehm’s.«
»Das ist eine Rumpelkammer«, sagte Oscar.
»Ich nehm’s«, wiederholte
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