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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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niemand bezweifelte, dass er seine Waffe benutzen würde, wenn es notwendig war.
    Oscar ging zu Wally. »Der Junge hat vielleicht doch Potenzial.«
    Wally sah voller Bewunderung zu David hinüber. »Wir stellen ihn ein.«

8
    Als Helen Zinc in die Einfahrt von 418 Preston bog, fiel ihr als Erstes nicht das etwas heruntergekommene Äußere der Kanzlei Finley & Figg auf, sondern die blinkende Neonwerbung an dem Haus daneben, auf der Massagen angepriesen wurden. Sie schaltete die Scheinwerfer aus, stellte den Motor ab und blieb noch einen Moment sitzen, um ihre Gedanken zu ordnen. Ihrem Mann ging es gut. Einem gewissen Wally Figg zufolge, einem einigermaßen freundlichen Menschen, der sie vor einer Stunde angerufen hatte, hatte er nur »ein paar Drinks intus«. Mr. Figg »kümmerte« sich um ihren Mann, was auch immer das bedeuten mochte. Die Digitaluhr im Armaturenbrett zeigte 20:20 Uhr an, also hatte sie sich jetzt fast zwölf Stunden lang Sorgen darüber gemacht, wo David war und wie es ihm ging. Jetzt, wo sie wusste, dass er noch lebte, überlegte sie sich, wie sie ihn am besten umbringen konnte.
    Sie sah sich um, musterte die Umgebung und stellte fest, dass ihr die Gegend nicht gefiel. Dann stieg sie aus dem BMW und ging langsam zur Haustür. Sie hatte Mr. Figg gefragt, wie ihr Mann von den Glas- und Stahltürmen im Stadtzentrum Chicagos in das Arbeiterviertel an der Preston Avenue gekommen sei. Mr. Figg hatte gesagt, er wisse es selbst nicht so genau, und es sei am besten, wenn sie sich später darüber unterhielten.
    Helen stieß die Haustür auf. Eine billige Klingel ertönte. Ein Hund knurrte leise, machte aber keinen Versuch, sie anzugreifen.
    Rochelle Gibson und Oscar Finley waren nach Hause gegangen. Wally saß am Tisch, schnitt Traueranzeigen aus alten Zeitungen aus und verspeiste sein Abendessen, das aus einer Tüte Kartoffelchips und einer Diätlimonade bestand. Schnell stand er auf, wischte sich die Hände an der Hose ab und lächelte. »Sie müssen Helen sein«, sagte er.
    »Stimmt«, erwiderte sie. Als er ihr seine Hand entgegenstreckte, wäre sie um ein Haar zusammengezuckt.
    »Wally Figg«, sagte er, während er sie musterte. Ein sehr hübsches Mädchen. Kurze kastanienbraune Haare, braune Augen hinter einer schicken Designerbrille, eins dreiundsiebzig, gut angezogen. Sie gefiel Wally. Er drehte sich um und deutete in Richtung des vollgestellten Tisches. Dahinter stand ein altes Ledersofa an der Wand, auf dem David lag, fertig mit sich und der Welt und in tiefer Bewusstlosigkeit. Sein rechtes Hosenbein war zerrissen – eine Blessur von der Massenkarambolage und ihrem Nachspiel –, doch abgesehen davon schien er in Ordnung zu sein.
    Helen ging ein paar Schritte auf ihn zu und sah ihn sich an. »Sind Sie sicher, dass er noch lebt?«
    »O ja, ganz sicher. Bei einem Verkehrsunfall ist er in eine Rauferei geraten und hat sich das Hosenbein zerrissen.«
    »Eine Rauferei?«
    »Ein Kerl namens Gholston, so ein Kotzbrocken von der anderen Straßenseite, hat nach der Karambolage versucht, uns einen unserer Mandanten zu stehlen, aber David hat ihn mit einem Stück Metall in die Flucht geschlagen. Dabei muss er sich die Hose zerrissen haben.«
    Helen, die für einen Tag schon genug durchgemacht hatte, schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Möchten Sie etwas trinken? Kaffee, Wasser, Scotch?«
    »Ich trinke keinen Alkohol«, antwortete sie.
    Wally sah sie an. Dann ging sein Blick zu David und wieder zu ihr zurück. Das muss eine sonderbare Ehe sein, dachte er. »Ich auch nicht«, sagte er stolz. »Es gibt frischen Kaffee. Ich habe eine Kanne für David gekocht, und vor seinem kleinen Nickerchen hat er zwei Tassen getrunken.«
    »Ja, danke«, erwiderte sie.
    Sie tranken den Kaffee am Tisch und unterhielten sich leise miteinander. »Wenn ich es richtig verstanden habe«, sagte Wally, »ist er heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit ausgerastet. Im Fahrstuhl. Er ist durchgedreht, hat das Gebäude verlassen und ist in einer Bar gelandet, wo er sich fast den ganzen Tag lang betrunken hat.«
    »Das habe ich mir auch schon zusammengereimt. Aber wie ist er hergekommen?«
    »So weit bin ich noch nicht, aber eines weiß ich, Helen. Er sagt, er will auf gar keinen Fall zurück, er will hierbleiben und für uns arbeiten.«
    Während sie sich in dem großen, offenen Raum umsah, in dem eine hoffnungslose Unordnung herrschte, fiel es ihr schwer, sich eine Kanzlei vorzustellen, die noch erfolgloser aussah. »Ist das Ihr Hund?«,

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