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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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behandelnden Ärzte in Verbindung gesetzt. Nachdem er die von Soe und Lwin unterzeichneten Dokumente per E-Mail an den Arzt geschickt hatte, war dieser bereit gewesen, mit ihm zu reden. Die Aussichten für den Jungen waren nicht gut. Die Bleibelastung in seinem Körper war hochgiftig und hatte Nieren, Leber, Nervensystem und Gehirn geschädigt. Er war nur hin und wieder bei Bewusstsein. Wenn er überlebte, würde es Monate oder Jahre dauern, bis man feststellen konnte, wie stark das Gehirn geschädigt war. So viel Blei im Körper überlebten Kinder in der Regel jedoch nicht.
    David und Helen folgten Soe den Korridor hinunter und am Schwesternzimmer vorbei bis zu einem Fenster in der Wand, durch das sie Thuya sehen konnten. Der Junge war auf einem kleinen Bett festgeschnallt und mit unzähligen Schläuchen, Kabeln und Bildschirmen verbunden. Eine Maschine half ihm beim Atmen.
    »Ich berühre ihn einmal am Tag. Er kann mich hören.« Soe wischte sich Tränen von den Wangen.
    David und Helen starrten durch das Fenster und wussten nicht, was sie sagen sollten.

22
    Endlose Besprechungen waren ein weiterer Aspekt, den David in seiner Zeit bei einer Großkanzlei zu hassen gelernt hatte. Besprechungen, in denen überprüft und bewertet, über die Zukunft der Kanzlei gesprochen, alles und jedes geplant wurde, Besprechungen, in denen neue Anwälte willkommen geheißen und alte verabschiedet wurden, Besprechungen, in denen sie sich mit neuen Gesetzen und Vorschriften vertraut machten, Neulinge unterstützten und von Seniorpartnern unterstützt wurden, Besprechungen, in denen sie über das Gehalt, Probleme mit der Arbeit und eine endlose Liste anderer unglaublich langweiliger Themen gesprochen hatten. Die Firmenkultur von Rogan Rothberg bestand aus pausenloser Arbeit, von der den Mandanten jede Minute in Rechnung gestellt wurde, doch es hatte so viele sinnlose Besprechungen gegeben, dass sie dadurch oft am Geldverdienen gehindert worden waren.
    Daher schlug David in seiner neuen Kanzlei auch nur widerwillig vor, einen Termin für eine Besprechung zu vereinbaren. Er war jetzt seit vier Monaten da und hatte eine gewisse Routine in seinem Tagesablauf entwickelt. Allerdings machte er sich Sorgen wegen des Mangels an Höflichkeit und Kommunikation unter den übrigen Mitarbeitern der Kanzlei. Das Krayoxx-Verfahren schleppte sich dahin. Wallys Traum vom schnellen Geld war verblasst, und der Umsatz fiel in den Keller. Oscar wurde immer gereizter, falls das überhaupt möglich war. Beim Tratschen mit Rochelle erfuhr David, dass sich die beiden Partner nie an einen Tisch setzten, um strategisch zu planen und Probleme anzusprechen.
    Oscar sagte, er sei zu beschäftigt. Wally sagte, so eine Besprechung sei Zeitverschwendung. Rochelle hielt die Idee für schwachsinnig, bis ihr klar wurde, dass sie ebenfalls an der Besprechung teilnehmen sollte; dann allerdings war sie begeistert. Als einzige Angestellte, die kein Anwalt war, fand sie die Vorstellung, endlich einmal ihre Meinung sagen zu können, sehr reizvoll. Nach einiger Zeit schaffte es David, den Senior- und den Juniorpartner zu überreden, und schließlich setzte Finley & Figg seine erste Besprechung in der Geschichte der Kanzlei an.
    Sie warteten bis siebzehn Uhr, dann sperrten sie die Kanzleitür zu und schalteten den Anrufbeantworter ein. Nach einer Weile betretenen Schweigens sagte David: »Oscar, als Seniorpartner sollten Sie die Besprechung leiten, denke ich.«
    »Worüber wollen Sie denn reden?«
    »Gut, dass Sie fragen.« David verteilte rasch eine Tagesordnung. Punkt 1: Honorarordnung. Punkt 2: Fallbesprechung. Punkt 3: Ablage. Punkt 4: Spezialisierung. »Das ist nur ein Vorschlag«, sagte er. »Wenn ich ehrlich bin, ist es mir eigentlich egal, worüber wir reden, aber es ist wichtig, dass jeder von uns sagen kann, wo ihn der Schuh drückt.«
    »Sie waren zu lange in einer Großkanzlei«, sagte Oscar.
    »Was stört Sie denn?«, fragte Wally.
    »Mich stört gar nichts. Ich bin lediglich der Meinung, dass wir davon profitieren würden, wenn wir unsere Honorare einheitlicher gestalten und die Fälle zusammen besprechen. Die Ablage ist seit zwanzig Jahren veraltet, und wir werden als Kanzlei kein Geld verdienen, solange wir uns nicht spezialisieren.«
    »Da wir gerade von Geld sprechen«, sagte Oscar, während er zu einem Notizblock griff. »Seit wir diese Krayoxx-Klagen eingereicht haben, ist unserer Bruttoumsatz nun schon drei Monate nacheinander gesunken. Die Fälle kosten uns

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