Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)
der Deutschen haben die perfekte Zahnsubstanz. Die restlichen 99 Prozent haben mindestens einmal im Leben Karies. Die Zahnfäule wird übrigens nicht vererbt, sondern von Mikroben verursacht, mit denen man sich anstecken kann. Karies ist deshalb eine der häufigsten Infektionskrankheiten des menschlichen Körpers. Derzeit versuchen Forscher, eine Impfung gegen sie zu entwickeln.
Drei Dinge müssen zusammenkommen, damit ein Zahn fault: mangelnde Zahnpflege, Zucker und die Bazille Streptococcus mutans. Gut versteckt in Zahnzwischenräumen und fest gewordenem Zahnbelag, vergärt sie Zucker zu Milchsäure. Die greift den Zahnschmelz an, macht den Zahn bröckelig und letztlich faul.
Ganz entscheidend bei der Kariesentwicklung ist der Speichel. Die in ihm enthaltenen Enzyme desinfizieren und neutralisieren Säuren in der Mundhöhle. Seine Zusammensetzung ist genetisch bedingt, in welchem Ausmaß, ist allerdings noch unklar. Auch ein trockener Mund lässt Bakterien gedeihen – vor allem nachts ist das der Fall. Rauchen und Medikamente können den Speichelfluss ebenfalls vermindern.
FREDERIK JÖTTEN
Techno auf Rezept
Meistens dient das Entertainment beim Arzt dazu, teure Therapien anzupreisen oder vom Wesentliche abzulenken. Aber dann ist in einer düsteren Praxis alles anders.
Die Praxis wirkte morbide. Ich war der einzige Patient, morgens um 10 . 30 Uhr. Die Rollos waren heruntergelassen, auf den Schränken im Empfangszimmer standen Behältnisse aus glänzendem, schwarzem Metall, die mich an Urnen ohne Deckel erinnerten. Mir gegenüber saß jetzt ein Mann Ende 30 im schwarzen Hemd und mit goldenem Stecker im rechten Ohr. Er war so freundlich und sanftmütig, wie ich noch niemals jemanden in einer Arztpraxis angetroffen hatte.
«Es geht um Ihr Knie, richtig?» Er lächelte mich an. «Ja, das linke», sagte ich. «Was ist Ihnen denn zugestoßen?» – «Ich bin beim Tanzen auf einer Party hingefallen und habe mir dabei das Knie verdreht.» Er lächelte wohlwollend, machte sich Notizen und sagte nichts.
Dann führte er mich zur Umkleidekabine. «Bitte ziehen Sie sich hier die Hose aus.» Auf der anderen Seite der Kabine holte er mich ab, um mich zum Kernspintomographen zu führen. Er fragte mich: «Möchten Sie während der Untersuchung Musik hören?»
Solche Unterhaltungsangebote gibt es mittlerweile in vielen Praxen. Beim Zahnarzt fragen sie mich jetzt immer, ob sie bei der Behandlung die Glotze anmachen sollen – Gehirnwäsche mit RTL 2 , wahrscheinlich, damit ich ihre Fehler nicht bemerke – aber nicht mit mir! In anderen Praxen flimmern bereits im Wartezimmer große Flachbildschirme, meistens mit Werbung für kostenpflichtige Zusatzleistungen. «Schaffen Sie mit mehr Information mehr Nachfrage nach Ihren Leistungen!», wirbt der Marktführer TV -Wartezimmer bei Ärzten; 6000 Praxen machen schon mit.
Ich hatte also allen Grund, skeptisch zu sein, und sagte, ich wolle keine Musik hören. Am Ende geben sie mir hier noch Werbebotschaften für Po-Implantate auf den Kopfhörer im Kernspintomographen.
Außerdem muss man sagen, dass der Kernspintomograph häufig bessere Musik macht, als im Radio läuft, ich kannte den Sound von vergangenen Untersuchungen in der Röhre. Erst trötet es wie eine Alarmanlage, dann geht das Tomographen-Geräusch in ein Stakkato-Knattern über, das sich zu einem Captain-Future-Laserschwert-Inferno steigert. Und danach wird es sehr laut, so, als ob man mit dem Kopf in einer Lautsprecher-Box liegen würde: ein fetter, schneller Basslauf, zu dem man sich eigentlich bewegen müsste – leider darf man das in der Röhre nicht, sonst sind die Bilder verwackelt.
Der medizinisch-technische Assistent war verwundert über mein Nein. «Mögen Sie keine Musik?», fragte er. «Doch, aber ich glaube nicht, dass etwas laufen würde, was mir gefällt», sagte ich. «Was hören Sie?» – «Im weitesten Sinne Indie-Gitarren-Pop/Rock …» Jetzt lachte er. «Ich komme eher aus der Gothic-Ecke, aber ich hätte zumindest
Philipp Boa and the Vodooclub
oder
Sisters of Mercy
.»
Ein Grufti in einer Praxis, in der Urnen im Vorzimmer stehen, will mir die Schwestern der Barmherzigkeit näher bringen! Da traute ich mich nicht mehr, auf dem Kernspinsound zu bestehen, und sagte ja zur Musik. Der Gothic-Fan stach mir eine Nadel in die linke Armvene. «Für das Kontrastmittel.» – «Aber bitte eher positive Musik», sagte ich. «Keine Angst, die ganz tristen Sachen spiele ich hier nicht», antwortete er. Dann
Weitere Kostenlose Bücher