Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)
fuhr er mich in die Röhre, es lief
The Cure
, und kurz vor dem Refrain drehte er den Ton runter, wie ein DJ , der will, dass das Publikum mitsingt, ich sang nicht, und er fragte: «Lauter? Das Gerät macht richtig Lärm.» Ich sagte nein und hörte dann für die nächsten Minuten
The Cure
mit Kernspin-Samples – auch nicht schlecht.
Nach der Untersuchung, ich wiegte mich jetzt in Sicherheit, sagte ich zum Assistenten: «Eigentlich mag ich das Geräusch des Kernspintomographen lieber.» Selbst als ich die Musik, die er spielte, so beleidigt hatte, lächelte der Mann mit dem Goldohrring. «Ja, der Sound der Maschine ist gut», sagte er. «Ich habe schon versucht, ihn aufzunehmen und in einem Song zu verwenden, aber weil das Magnetfeld so stark ist, funktioniert kein Mikrophon hier drin.»
Der Mensch hatte doch Geschmack, mir außerdem keine Kaufbotschaften zwischen die Lieder gemixt – und auch mein Knie war nicht kaputt, sondern nur das Innenband gezerrt. Manchmal kommt es doch vor, dass man in einer Arztpraxis in guten Händen ist.
FREDERIK JÖTTEN
Diagnose bei der Apothekerin
Ist das eine harmlose Schwellung oder vielleicht doch das erste Anzeichen des letalen Ganzkörperödems? Kein Arzt weit und breit, die Pharmazeutin muss helfen!
«Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?» ist unser Buchtitel, aber ich für meinen Teil habe Apotheker im Gegensatz zu Ärzten immer ganz gut ausgehalten. Das liegt natürlich auch daran, dass man unangebrachtes Verhalten eines Apothekers damit kontern kann, sich einfach am Tresen umzudrehen, anstatt Geld auf den Tisch zu legen. Ich vermute, diese direkte materielle Rückkopplung sorgt für eine gewisse Grundfreundlichkeit der Pharmazeuten. Außerdem geben sie oft nur aus, was der Arzt verschrieben hat, das ist etwas einfacher, als über die richtige Diagnose und Behandlung zu entscheiden. Ja, Apotheker haben es etwas leichter als Ärzte, trotzdem bin ich ein großer Fan meiner Apothekerin. Sie ist Ende 40 , irgendwo aus dem ehemaligen Jugoslawien, und wenn ich an die Reihe komme, dann lächelt sie mich an. Das ist kein Business-Lächeln, sie freut sich wirklich, mich zu sehen! Zugegeben, ich bin auch ein ziemlich guter Kunde, schon alleine wegen meiner Ohrstöpselsucht. Hinzu kommt, dass ich ein Meister der Selbstmedikation bin und mir entsprechend regelmäßig die ein oder andere Arznei verordne. Manchmal allerdings brauche sogar ich Beratung. Natürlich vertraue ich keiner Pharmazeutisch-Technischen Assistentin, kenntlich durch die Abkürzung « PTA » auf dem Namensschild. Ich bilde mir ein, nach drei Jahren Berufsausbildung könne man die wunderbare Pharmawelt nicht so gut verstehen wie ich mit meinen 20 Jahren Erfahrung als
Heavy User
. Vor dem Pharmazie-Studium hingegen habe ich noch ausreichend Ehrfurcht. PTA s können also hinter dem Tresen auf Kundschaft warten – ich drücke mich lieber vor dem Kosmetikregal herum, bis meine Apothekerin frei ist.
Dann stürme ich vor und sage freundlich: «Hallo.» Wie gesagt, sie lächelt mich an, manchmal vermute ich darin ein «Sie sind mir einer – noch jung und schon mein bester Kunde!».
So auch an jenem Tag, an dem ich eine dicke Lippe hatte. Ich hatte nachts mit meinem Gesicht auf meiner Hand gelegen. Vier Stunden nach dem Aufstehen sah ich immer noch aus, als ob mir jemand eine Faust ins Gesicht geschlagen hätte. Aber mit meiner Apothekerin an meiner Seite traute ich mir sogar zu, das Problem ohne Arzt anzugehen.
Ich sagte: «Sie kennen mich doch – ich sehe seltsam aus, oder?»
Die Apothekerin sah mich an. «Mmh, also, Sie kommen mir vor wie immer …»
«Aber schauen Sie doch mal meine Lippe an, die ist doch wahnsinnig geschwollen!»
Sie legte den Kopf zur Seite und schaute mich mit einem konzentrierten Blick an. «Ach, Sie meinen dort unter der Nase, diese Rötung … – haben Sie Bläschen?»
«Nein, nein, das ist kein Herpes, das kommt von innen! Verstehen Sie, diese ganze Partie», ich umfasse meine Oberlippe mit den Fingern, «ist geschwollen – als ob mir jemand eine reingehauen hätte!»
Meine Apothekerin hat ihr Lächeln wiedergefunden. «Nein, also so schlimm sieht es wirklich nicht aus.»
«Könnte es ein kleines Ödem sein?»
«Dort? Nein, das glaube ich nicht. Und wenn es eins wäre, gäbe es auch nichts, was ich Ihnen jetzt geben könnte. Warten Sie einfach mal ab, das wird schon wieder abschwellen.»
Ein bisschen mütterlicher Zuspruch, dazu die Gewissheit, dass diese Oberlippenschwellung
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