Vertraglich Verpflichtet (Daniel & Juliet - eine Liebesgeschichte, Teil 1) (German Edition)
hatte einen Nachbarn zum Bahnhof geschickt, damit der mich dort abholte und in das nahe gelegene Dorf brachte.
Ich fühlte mich erleichtert, eine Weile von Daniel wegzukommen und ein wenig Zeit zum Nachdenken zu finden. Seine Anwesenheit machte mich hilflos, lähmte mich und ließ mich den leichtsinnigsten Vorschlägen zustimmen. Seine Launen waren irritierend, in der einen Minute war er so zärtlich und liebevoll, dann wieder drehte er völlig durch. Aber egal wie er sich verhielt, er hatte mich in der Hand, wusste genau, wie er mich manipulieren konnte. Und obwohl ich mir dessen mittlerweile wohl bewusst war, hatte ich ihm nichts entgegenzusetzen. Ich schob diese unerfreulichen Gedanken weit von mir und sah aus dem Fenster auf die idyllische Landschaft, die Wälder und Felder, die vorbeiziehenden Häuser und die vielen Windräder, die erst in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen waren. Jetzt stand mir ersteinmal ein Besuch bei meinem Großvater, den ich über alles liebte, bevor.
Unser Wiedersehen war herzlich und mein Großvater hatte ein einfaches Abendessen vorbereitet. Ich war ein wenig überwältigt von den vielen neuen Eindrücken und kaute still auf meinem Brot. Seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war der Mann sichtlich gealtert, aber geistig weiterhin hellwach. Er fragte nach meiner Mutter und meinen Schwestern, erwähnte aber meine Großmutter, seine geschiedene Ehefrau, mit keinem Wort. Die beiden hatten sich vor vielen Jahren getrennt als meine Großmutter beschloss, mit ihrer damals erst vierzehnjährigen Tochter nach Amerika auszuwandern, damit meine Mutter dort als Tänzerin berühmt werden konnte.
Der Plan war aufgegangen und sowohl meine Großmutter als auch meine Mutter hatten sich zeitlebens bemüht, meinen Großvater nach Amerika zu holen. Doch er war stur geblieben, hing viel zu sehr an der alten Heimat, seinem Hof und den zahlreichen Tieren.
Wir unterhielten uns in stockendem Deutsch über unsere Familie und über meine Reise durch Asien. Die Zeit verging viel zu schnell und im Nu war es spät in der Nacht. »Mein Nachbar wird dich zurück zum Bahnhof bringen. Du must dich beeilen, sonst verpasst du noch den letzten Zug.« Wir verabschiedeten uns, dann verließ ich das Haus, winkte meinem Großvater wehmütig ein letztes Mal zu.
Am völlig verlassenen Bahnhof angekommen, ließ mich der hilfsbereite Nachbar aus dem Auto. Er bedauerte, dass er nicht mit mir gemeinsam auf den Zug warten konnte. Doch ich wehrte lächelnd ab. Die Nacht war sternenklar und die fehlende Beleuchtung erlaubte einen traumhaften Blick auf den wolkenlosen Himmel. Schon lange hatte ich nicht mehr so viele Sterne leuchten gesehen. Ich atmete tief die kühle Abendluft ein und genoss die Stille.
Wieder sah ich auf meine Uhr. Es war mittlerweile schon kurz vor elf Uhr. Der Zug hätte längst hier sein sollen. Aber weder eine Durchsage noch eine Mitteilung auf der elektronischen Anzeigetafel des verwaisten Bahnsteigs erschienen. Und hier war kein Mensch, den ich fragen konnte.
Ich hörte das Motorengeräusch eines vorbeifahrenden Autos. Dann wieder Stille. Keine Information über den verspäteten Zug.
Mit einem Mal ertönten Stimmen in einiger Entfernung. Es klang wie eine Gruppe Männer nach einem Saufgelage. In diesem Moment klingelte auch mein Handy. Hastig nahm ich es aus der Tasche, wollte vermeiden, dass das Geräusch die Männer auf mich aufmerksam machte. Ich blickte auf das Display, Daniels Rufnummer leuchtete auf.
»Hallo?«, fragte ich mit flüsternder Stimme.
»Juliet, wo zum Teufel steckst du? Und warum sprichst du so leise?« Der Gedanke an Daniel ließ mich erschaudern. Ich hatte ihm fest versprochen, vor Mitternacht im Hotel zu sein. Doch durch die Verspätung war dies kaum noch einzuhalten.
»Daniel, es tut mir leid. Ich warte hier am Bahnhof auf den Zug. Aber der hat entweder Verspätung oder er wurde gestrichen. Ich weiß es nicht so genau.«
»Wieso fragst du nicht an der Auskunft nach. Die müssen so etwas doch wissen?«, schlug er vor.
»Der Bahnhof hat schon geschlossen, hier ist niemand, den ich fragen könnte.« Ich musste mich reichlich verzweifelt anhören, denn Daniel wurde sofort hellhörig.
»Du bist ganz allein? Sind dort keine anderen Fahrgäste oder wenigstens ein Schaffner?«, fragte er und ich spürte, dass er kurz davor war, mir Vorwürfe zu machen.
In diesem Moment hatten mich die grölenden Männer entdeckt. Es waren vier erwachsene Männer, die jetzt schnell
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