Vertrau deinem Herzen
Bank anrufen und herausfinden, was mit meiner Kreditkarte nicht stimmt“, sagte sie und holte ihr Handy hervor. „Am See haben wir keinen Empfang.“
„Laaangweilig“, kommentierte Aaron und sackte im Sitz zusammen.
„Da hast du recht, Kumpel.“ Sie wählte die Nummer von der Rückseite ihrer Karte. Nachdem sie sich alle Optionen angehört hatte – „weil unsere Menüpunkte kürzlich verändert wurden“, wie die Automatenstimme ihr mitteilte –, musste sie eine absurde Kombination verschiedener Nummern eintippen, nur um zu erfahren, dass die Bank aufgrund der Zeitverschiebung bereits geschlossen hatte. „Alles okay“, versicherte sie Aaron. „Ich kläre das später.“ Sie lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze und atmete tief durch. „Oh, ich muss ja auch noch Georgie anrufen!“
Alle fünf Enkelkinder – die vier von Phil und Barbara plus Aaron – nannten Kates Mutter Georgie, manchmal sogar Georgie Girl.
„Mach’s nicht so lang“, sagte Aaron. „Bitte.“
Kate tippte die noch unvertraute neue Nummer ein und wartete auf das Freizeichen. Eine Männerstimme antwortete.
„Hier ist Clinton Dow.“ Georgies neuer Mann meldete sich immer mit vollendeter Höflichkeit.
„Und hier ist Katherine Elise Livingston“, zog sie ihn ein wenig auf.
„Kate!“ Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. „Wie geht es dir?“
„Ausgezeichnet. Wir sind in Port Angeles und gerade auf dem Sprung zum See.“
„Das klingt nach einem großen Abenteuer“, sagte er fröhlich. Man hätte nie vermutet, dass er ihre Mutter noch letztes Jahr gedrängt hatte, das Sommerhaus zu verkaufen. Es wäre nichts weiter als eine große, leere Verbindlichkeit, hatte er gesagt, die ihren Nutzen für die Familie schon längst überlebt hatte. Mit dieser Aussage hatte er beinahe die Zuneigung seiner neu erworbenen beiden Stiefkinder verloren. Das Haus am See gehörte schon seit den Zwanzigerjahren zu den Livingstons – viel länger also als ein verwitweter und einmal geschiedener Buchprüfer.
„Wir werden das Sommerhaus nie verkaufen!“, hatte Phil bestimmt. „Niemals! Ende der Diskussion.“ Es war Phil egal gewesen, dass er quer durchs Land nach New York gezogen war und nicht mehr so oft zum Haus kommen konnte. Für ihn, Kate und die Kinder bedeutete das Haus am See alles, was am Sommer magisch und besonders war. Es zu verkaufen wäre ein Sakrileg.
„Ich hole eben deine Mutter“, sagte Clint. „Schön, mit dir gesprochen zu haben.“
Während sie wartete, fuhr Kate den Jeep an den Rand des Parkplatzes, sodass sie über den Hafen schauen konnte. Sie hatte schon hunderte Male an dieser Stelle gestanden und den Blick genossen. Sie bekam einfach nie genug davon. Port Angeles war eine seltsame Stadt: ein bunter Haufen von billigen Motels und Diners, malerischen Bed and Breakfasts, Fußgängerzonen und holprigem Asphalt, teuren Restaurants und Läden am Wasser. Ein paar Mal am Tag schleppte die Fähre ihren vollgestopften Rumpf über die Juan-de-Fuca-Straße nach Victoria. Die Autofahrer standen teilweise stundenlang Schlange, um einen Platz an Bord zu ergattern.
„Du bist also auf dem Weg in die Wildnis“, unterbrach ihre Mutter fröhlich Kates Gedanken.
„Ja, nur wir beide“, antwortete Kate.
„Ich wünschte, du hättest Aaron für den Sommer zu uns gebracht“, sagte Georgina. „Wir sind nur eine Stunde Autofahrt von Disney World entfernt.“
„Was genau der Grund ist, warum ich ihn nicht zu euch gebracht habe“, erwiderte Kate. „Ich bin nicht so ein Disney-Fan.“
„Und Aaron?“
„Oh, der würde es lieben“, gab sie zu. „Er würde auch euch gerne wiedersehen.“ Sie schaute zu, wie ihr Sohn in den Einkaufstüten nach was zu essen suchte. Er fand die Papiertüte mit den Kirschen und machte sich daran, herauszufinden, wie weit er die Kerne aus dem Fenster spucken konnte. Bandit, der erstaunlich gute Manieren zeigte, wenn seine Menschen aßen, beobachtete ihn mit zurückhaltender, aber dennoch intensiver Konzentration. „Wir möchten diesen Sommer einfach gerne hier verbringen“, rief sie ihrer Mutter ins Gedächtnis zurück. „Das ist genau der Ort, wo wir sein sollten.“
„Wenn du das sagst.“ Georgina hatte das Haus am See nie so sehr geliebt wie der Rest der Livingstons, auch wenn sie ihrem verstorbenen Ehemann und den Kindern zuliebe immer gute Miene zum bösen Spiel gemacht und die Sommer hier verbracht hatte. Jetzt, da sie endlich neu verheiratet war, war sie mehr als
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